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Markgräfler Jahrbuch
3.1954
Seite: 103
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Ein schöner Brauch von einst

Eine nachahmenswerte Einrichtung für alle Weinlande war in der Markgrafschaft
die des „Schimmelireitens". Unter dem Schimmeli verstand man kein Rößii
aus dem Stall, sondern einen weißen, bauchigen Tonkrug, der auf dem Anrichtetisch
allezeit bereit stand, um in den Keller „geritten" zu werden. Kamen Gäste,
so ging der Hausherr oder der Sohn hinab, um ihn am Fasse zu füllen und den
Trunk frisch für den Gast heraufzuholen. Dieses Schimmeli war ein Heiligtum der
Familie und ihr Stolz. Es wurde sorglich gehütet und stammte oft schon von den
Großeltern und Urgroßeltern, meist von Vater und Mutter. Man sah den Namen
der Stifter und ihren Hochzeitstag darauf eingetragen, umkränzt von einem Rosenzweig
oder von Vergißmeinnicht. Ich sah noch Krüge aus dem vergangenen Jahrhundert
. Sie waren gefüllt tausendmal aus dem Keller heraufgetragen und geleert
worden und stets unversehrt geblieben oder hatten doch nur am Schnabel etwas
Schaden gelitten. Das Schimmeli sollte in ehrbarer Besonnenheit seinen Weg auf
und nieder nehmen, dem Gaste Erfrischung und Erheiterung spenden, aber nicht
der Trunksucht dienen, darin lag seine Bedeutung.

So begreift es sich denn auch, daß es in der Markgrafschaft nicht an alten Leuten
fehlte, deren weinfrohe Philosophie an die des weisen Hafis erinnerte, Zecher im
Silberhaare, deren goldene Sprüche als geflügelte Worte von Mund zu Munde
gingen. Wenn ich durch die fröhliche Markgrafschaft ritt, ließ es mir keine Ruhe,
ich mußte die Sprüche in Verse kleiden.

Doktor Hermann Debus

Von Helmut Nübling

„Jor wemmer der Doktor Debus no hätte", klagte mir vor Jahren ein bis dahin
tüchtiger Handwerksmann, „no wüßt i, was mer fehlt"! — Er hatte sein Geschäft
aufgeben müssen wegen einer Krankheit, die ihm niemand nennen konnte oder
wollte. — „Jo, wenn der Doktor Debus no lebti", meinte ein altes, krankes Müt-
terlein, „no wär mir au g'hulfe"! — Sie wären heute auch, wo sie sind,die beiden:
Jenseits aller menschlichen Wünsche und Meinungen; denn gegen den Tod ist
schließlich kein Doktor geschickt und keines seiner Kräuter und Tränklein, Pulver
und Pillen wirksam genug. Aber sie hielten sich fest an ihrem Vertrauen bis zum
Grabe, daß der Doktor Debus ihnen noch ein paar Jährlein hätte zugeben können.
— Er selbst liegt ja auch schon manches Jahr drunten im Brombacher Friedhof
unter dem granitenen Findling mit dem Äskulapzeichen, hat sich selbst auch nicht
helfen können, als aufreibende Arbeit und ein böses Übel seine Lebenskraft aufgezehrt
hatten. Zu oft hatte er beobachtet und abgehorcht, wie das Wunderwerk des
menschlichen Organismus in Unordnung gerät und früher oder später unwiderruflich
stillsteht. So machte er sich auch über den eigenen Zustand nichts vor, sondern
eines Abends im Spätherbst, als er im „Ochsen" drüben mit dem Frieder eins
schöppelte, sagte er mitten im schönsten Geplauder in seiner manchmal barschen
Rücksichtslosigkeit: „Trinke mer no ein! Es wird kei mengge meh sii; bis das

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