Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,eg
Markgräfler Jahrbuch
3.1954
Seite: 107
(PDF, 29 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgjb-1954/0106
Fahrgeld nicht umsonst ausgegeben. — Von seinem Reißmatheis hat ihn dann der
Doktor Debus auch geheilt, langsam und mit Geduld. Der Doktor Debus hat sich
nicht eingebildet, es besser zu können als die Natur. Er wußte, daß der beste
Helfer und Heiler im Menschen selbst sitzt, der geheimnisvolle Organisator, der
das unbegreifliche Zusammenspiel aller Glieder, Kräfte und Säfte lenkt; daß die
Heilkunst eben darin besteht, ihm Handreichungen zu tun und etwas nachzuhelfen.
— Daß auch der Wille oder Glaube, wie man es nennen will, nicht nur selig, sondern
auch gesund macht, das exerzierte er mit dem Karli. Der war überarbeitet, und
der Doktor verurteilte ihn zu längerer Bettruhe. Das war etwas für den Karli, der
sein Lebtag in den Sielen gestanden hatte! Er konnte einfach nicht begreifen, daß
Liegen und Schlafen eine richtige Arznei sein solle, und plagte den Doktor, er
müsse ihm doch auch ein kräftiges Mittel verschreiben. „Isch recht, Karli", beruhigte
ihn der, „ich verschriib dir öbbis". — Der Überbringer des Rezepts wußte
nicht, warum der Apotheker über das ganze Gesicht schmunzelte; erst später ist
es herausgekommen. Auf dem Rezept stand nämlich verordnet: eine große Flasche
„Aqua destillata" (destilliertes Wasser) mit einem Schuß Himbeersaft. — Als der
Doktor wieder nach dem Karli sah, war es dem zum Bäumeausreißen zumut. „Die
schöne, rote Tropfe, wo Sie mir verschriebe hän, Herr Doktor", meinte er
anerkennend, „hemmer halt so guet do!"

Wenn einer nur etwas Mutterwitz im Kopf hatte und eine ehrliche Meinung
und kein öder und blöder Plauderi war, so setzte sich der gelehrte Mann gern zu ihm
zu einem guten Trunk und einem guten Wort, und schaute nicht erst, ob der Partner
eine seidene Krawatte anhatte oder ein baumwollenes Arbeitshemd. Und die
äußere Situation mochte gelegentlich noch so gewagt erscheinen, es kam vor, daß
einer die gebührende Achtung und den gehörigen inneren Abstand vergaß. — Der
Migger kam nicht weit, als er ihm einmal allein im „Ochsen" gegenüber saß und
glaubte, er könne jetzt den Doktor ein wenig auf die Schippe nehmen. „Jo, jo,
Herr Doktor", fing er an, „mir sin beidi im gliiche Johr uff Bromech cho; fünfe-
zwänzg Johr sin's jetzt scho her; aber ich bin allewiil no en arme Deufel, un Sic
sin e g'machte Maa; seil isch dr Unterschied!" — Das ging nun dem Doktor ganz
und gar gegen den Strich, wenn ihn einer derart anzapfte. „Du bisch e Dübel, un
ich bi kein, seil isch der Unterschied", knurrte er ihn an, lenkte aber gleich wieder
zur Versöhnlichkeit ein, als er das verdatterte Gesicht des Migger sah: „Chumm,
Emeline, bring dem Migger e Vierteli! Mer trinke eineweg eins uff unseri 25 Johr".

Darin hatte der Migger recht. Schier 30 Jahre hat er in Brombach Kranke geheilt
. — In Lahr, auf niederalemannischem Boden, war der zukünftige Mediziner
aufgewachsen und konnte offenbar nur in alemannischem Volksgrund Wurzel
schlagen und gedeihen. Einmal hat ers im Norddeutschen, bei Kassel, probiert; aber
schon nach 2 Jahren kam er wieder herauf, nach Brombach, und ist dageblieben.
Am Main, sagte er, höre für ihn Deutschland auf. Die Liebe aber hat ihn artig
geneckt und ihm eine Lebensgefährtin beschert mit Herzensgüte und feinem Takt;
aber im Markgräflerland blieb sie bis zu ihrem seligen Ende eine waschechte, korrekte
Brandenburgerin. — Nicht nur für Herz und Nieren oder gegen das Bauchweh
mußte er Rezepte schreiben; bei allen möglichen sonstigen Lebenslagen begehrte
Der und Jener von dem gescheiten und spaßigen Mann einen Rat oder ein
kräftiges Wörtlein aus dem Schatz seiner Weisheit, womöglich mit Salz und Pfeffer
dran. Das gab nun oft die Gelegenheit, seinen bärbeißigen, aber immer tref-

107


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgjb-1954/0106