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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1954-02/0009
wesen; festgehalten werden müsse mit der ganzen Innigkeit des Glaubens
die bisher viel bekämpfte Wahrheit, daß Preußen ein durchaus nationaler,
Österreich ein antinationaler Staat sei, daß Preußen, so oft es auch seinen
Beruf verfehle, dennoch der einzige Staat sei, der ihn noch erfüllen könne, daß
Preußen Deutschlands einzige Hilfe und Hoffnung sei. Recht laut und deutlich
müsse das deutsche Volk seine „Petition of rights" verkünden: Wir sind e i n
Volk, haben zu allen Zeiten gemeinschaftliche Angelegenheiten gemeinschaftlich
verhandelt, der bestehende öffentliche Rechtszustand im sogenannten
Staatenbund aber ist kein Recht, sondern arges Unrecht."

In den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hielt sich Roggenbach
politisch ganz zurück und bereitete sich auf die Zeit vor, da er als Staatsmann
dann lebhaften Anteil am "Wiedererstehen eines Reiches nehmen sollte. In
dieser Ubergangszeit trieb er politische Studien nicht nur theoretischer, sondern
auch praktischer Art durch Reisen in den Nachbarländern, in Frankreich, in
der Schweiz und auch in England. Ein halbes Jahr brachte er in Frankreich zu.
Hier war nach der Februarrevolution die zweite Republik errichtet worden,
die aber schon in Mißkredit gekommen war, so daß sich bereits Katzenjammerstimmung
bemerkbar machte. So war Roggenbach recht wenig erbaut von
seinem Pariser Aufenthalt und schrieb in seiner Enttäuschung: „Es fehlt hier
die Art der Anregung, die wir Deutsche nicht entbehren können. Man wird
durch nichts gehoben und muß beständig von seiner eigenen Elektrizität abgeben
. Diese Verkommenheit geht, was das Schlimmste ist, ganz durch — nicht
durch die höheren Klassen allein. Alle Parteien betrachten in Paris die Lage
des Landes mit Hoffnungslosigkeit. Allgemein und unaufhaltsam rennt man
nach Knechtschaft in schamloser Ungeduld, den letzten Rest der wenigen
Humanität und Freiheit, die man noch hat, vollends loszuwerden, als hätte
deren Erwerbung nichts gekostet, und als sei deren Besitz eine Last. Die
Urheber der Julirevolution bekennen offen ihre Reue über ihre Teilnahme."
Als dann Napoleon III. seinen Staatsstreich ohne große Mühe durchführen
konnte, zeigte es sich, wie richtig Roggenbach beobachtet hatte. — So hatte
denn der wißbegierige junge Politiker durch seine Reisen Einblick bekommen
in die Verhältnisse der Nachbarstaaten, er hatte Erkenntnisse gewonnen, die
ihm später sehr zustatten kamen. In diesen Jahren gelang es ihm aber auch
noch — und das war von größter Bedeutung für seine spätere Entwicklung —
in enge persönliche Beziehungen zu jenen fürstlichen Kreisen zu treten, die an
und für sich schon aufgeschlossen waren für nationale und dabei liberale Gedanken
. Durch sein gewinnendes Wesen und seine liebenswürdige Persönlichkeit
genoß der Fünfundzwanzigjährige während seines Berliner Aufenthaltes
1849/50 das Vertrauen der Prinzessin Augusta von Preußen, der Gemahlin des
späteren Kaisers Wilhelm I. Die Prinzessin empfing ihn fast jeden zweiten Tag
bei sich und machte ihn auch mit ihrem Mann und ihrem Sohn bekannt.
Roggenbach wurde so zum politischen Berater des jungen Prinzen und späteren
Kaisers Friedrich, mit dem er in Berlin und Babelsberg häufig zusammenkam.
Als der Prinz später Prinzessin Viktoria, die älteste Tochter der Königin Viktoria
von England, heiratete, steigerte sich das Interesse Roggenbachs an dem
jungen Paar, weil ihm die Braut von ihrer Kindheit her bekannt war. Als
neben dieser preußisch-englischen Verbindung auch noch die badisch-preußische
in der Heirat von Großherzog Friedrich und der Prinzessin Luise von Preußen
sich vollzog, schienen die Fäden dieser Allianzen sich auch für Roggenbach zu
verknüpfen, und der Mann, der jetzt auch der Vertrauensmann seines badischen
Landesherrn wurde, durfte sich bald als einer der kommenden Männer dieser
liberalen Fürstenpolitik fühlen.

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