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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1954-02/0011
proösterreichisch-großdeutsch gesinnten Räte schieden aus, und an ihre Stelle
traten Hardeck, der liberale Freiherr von Edelsheim, den er als badischen
Gesandten nach Wien schickte, und der berühmte Heidelberger Staatsrechtslehrer
Robert von Mohl, der Badens Interessen in Frankfurt vertrat. Es wäre
verkehrt, anzunehmen, daß Roggenbach sich auf sein Ressort beschränkt und
den Kampf gegen die österreichische Vorherrschaft und die Selbstsucht der
Mittelstaaten bei der Lösung der deutschen Frage als einzige Aufgabe angesehen
hätte. Er nahm vielmehr lebendigen Anteil auch an den Arbeiten,
die Baden im Innern stark und frei machen sollten, und verwertete hierbei
die im Ausland durch eigene Anschauung gewonnenen Erfahrungen. Unter
seiner Mitwirkung wurden so die Reformen in Baden, die in allen anderen
Staaten berechtigtes Aufsehen erregten, viel folgerichtiger und umfassender,
als seine Kollegen sie geplant hatten. Roggenbach schien zum Staatsmann von
höherem Rang berufen; nur gebrach es seinem Idealismus an nüchterner Klarheit
in der Wahl der Mittel und seinem Charakter an der leidenschaftlichen
Beharrlichkeit des echten Praktikers. „Wenige unter den namhaften Männern
des Liberalismus konnten sich der äußeren und inneren Unabhängigkeit seines
politischen Charakters vergleichen, verbanden gleich ihm die Bildung des Geistes
mit der Sicherheit der großen Welt und dem Idealismus des Herzens." So
äußert sich der Flistoriker Hermann Oncken in seinen historisch-politischen
Aufsätzen. Es war ein Verhängnis für den Liberalismus, vielleicht für unser
ganzes politisches Leben, daß diese Kraft in der entscheidenden Stunde der
deutschen Einigung brach liegen blieb. Wie weit seine Fähigkeiten für die
höchsten Aufgaben ausgereicht hätten, ist schwer zu beurteilen, eben weil
er nicht zu ihnen berufen ward. Interessant ist auch das Urteil Bismarcks
über Roggenbach, das sich der Kanzler aus dem reizvoll erregenden Verhältnis
von Abstoßung und Anziehung zwischen beiden bildete. Bismarck sagte
nach dem Eintritt der schleswig-holsteinischen Krise, am 17. Januar 1864, zu
dem französischen Botschafter: „Herr von Roggenbach ist weniger ein Staatsmann
als ein Mann von Überzeugungen!" Damit bestritt er spottend dem
Gegner den Ehrentitel, mit dem die Liberalen den Mann ihrer Hoffnungen
bezeichneten.

In der deutschen Frage hatte Roggenbach schon bald nach seinem Amtsantritt
die Freude, für seine Anschauungen Widerhall in der badischen Bevölkerung
zu finden. Vierhundert angesehene Freiburger sprachen sich offen
für die Berufung des Königs von Preußen an die Spitze der diplomatischen
und militärischen Leitung Deutschlands aus. Und nun legte der Minister den
Regierungen der beiden deutschen Großmächte sein Programm vor. Roggenbach
hielt Österreich für eine europäische Notwendigkeit und wünschte ihm
auch im deutschen Interesse Festigung und Gedeihen; die Vorherrschaft dieses
aus den verschiedensten Nationalitäten zusammengesetzten Staates in Deutschland
hielt er aber für ein Unglück. Er war überzeugt, daß das politische System,
welches Österreich im Jahr 1815 im Deutschen Bund gegen Preußen errichtet
hatte, von diesem nur durch einen Waffengang bei günstiger Stellung auf dem
europäischen Schachbrett geändert werden könne und müsse, und daß Österreich
nur durch ein völkerrechtliches Band, nicht aber staatsrechtlich mit
Deutschland verbunden sein dürfe. Die Überzeugung von der Notwendigkeit
kriegerischer Lösung behielt er natürlich für sich, als er Österreich durch Edelsheim
im Sommer 1861 die ersten Eröffnungen machen ließ. Roggenbach ließ
in Wien mitteilen, Baden sehe der Vollendung des vom deutschen Volke laut
geforderten Neubaues mit Ungeduld entgegen und hoffe, daß ihn Österreich
nicht durch Festhalten an früheren, nicht mehr haltbaren Anschauungen

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