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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1954-02/0013
Roggenbachs konnte in dem Ziele des kleindeutschen Bundesstaates mit preußischer
Spitze nicht dadurch beirrt werden, daß ein ihm unheilvoll erscheinender
Minister die Geschicke Preußens leitete, denn Minister kommen und gehen.
Aber solange dieser Minister am Ruder war, der im Innern verfassungswidrig
regierte und nach außen die Macht seines Staates für die deutsche Sache zu
verwenden nicht gesonnen schien, glaubte Roggenbach, sich von ihm zurückziehen
und fernhalten zu müssen. Er war sich eins mit dem preußischen Kronprinzen
Friedrich, der in scharfe Opposition zu Bismarck trat, und empfahl
ebenso wie der Großherzog dem Könige Wilhelm wiederholt, den Verfassungskonflikt
durch Verständigung mit dem Abgeordnetenhaus zu beenden. Roggenbach
hielt, wie die liberalen Gesinnungsgenossen in Preußen und Deutschland,
Bismarck für einen „grundsatzlosen Junker", für einen waghalsigen Spieler, für
einen gewissenlosen Menschen, dem nur an der Behauptung der eigenen Macht
liege.

Im Oktober 1865 erbat und erhielt Franz von Roggenbach vom Großherzog
seine Entlassung als Minister des Äußeren. Der Anlaß zu diesem oft getadelten
Rücktritt lag einmal in dem Durchbruch der sachlichen Erkenntnis, daß man
von einem Kleinstaat aus nicht große Politik treiben könne; er wußte, wie er
zu Bernhardi sagte, daß er Wechsel ausgestellt habe, die er nicht einlösen könne.
Der spezielle Anlaß im Moment lag aber wohl in der Konvention von Gastein
vom August 1865, durch welche die Ausübung der von beiden Großmächten
gegen Dänemark erkämpften Rechte geteilt und die Verwaltung Schleswigs
Preußen, die Holsteins Österreich übertragen wurde. Durch dieses rücksichtslose
Vorgehen, das dem Fürsten- wie dem Volksrecht widersprach, entzündete
sich der Haß gegen die bismarcksche Politik in allen Teilen Deutschlands und
besonders in der süddeutschen Bevölkerung. Die regierenden Kreise in den
Mittelstaaten wurden sich ihrer Ohnmacht vollends bewußt. Roggenbach, der
daraufhin seine Entlassung erbat, hatte wenige Wochen vorher noch einmal in
Baden-Baden Bismarck erfolglos vorgestellt, daß die Annexion der Herzogtümer
, weil dem Willen der Bevölkerung und dem Rechte zuwider, eine
schlechte Basis für die Zukunft Preußens sei. Wohl hatte er auch an einzelnen
Schritten seiner Kollegen im Innern Anstoß genommen; als den wahren Grund
seines Rücktritts aber gestand er Treitschke: eine auswärtige Politik, wie sie
ihm vorgeschwebt habe, sei in einem Staat von den Möglichkeiten Badens nicht
durchzuführen. Diese Einsicht hätte ihm früher kommen sollen; jedenfalls war
der Zeitpunkt für seine Abdankung jetzt falsch gewählt. Sein Verhältnis zum
Großherzog blieb nach wie vor herzlich, und er zeigte sich auch ohne Amt
noch weiter im badischen Interesse tätig. Bei seinem Rücktritt war aber auch
noch ein persönliches Motiv ausschlaggebend, und das hieß: „sich aufsparen für
eine bessere Zeit!" Vielleicht schon in solcher Stimmung versagte sich Roggenbach
und seinen Namen, als Bismarck in der Krisis des Frühjahrs 1866 an die
Liberalen heranzurücken begann, und wenn er auch, von der großen Stunde
fortgerissen, in seinem Brief vom 1. Juli 1866, noch vor Königgrätz, sich offen
auf die Seite Bismarcks gegen Österreich stellte, so fiel er doch bald wieder in
die Stimmung des vorsichtigen Abwartens zurück. Es war dies — wie Oncken
schreibt — die Neigung mancher Liberaler, die von 1862 bis 1888 eine verderbliche
Unterströmung in ihrem politischen Wollen gebildet hat; die angesichts
des greisen Königs Wilhelm auf den Kronprinzen Friedrich rechnete und
sich Bismarck gegenüber auch nach 1866 mit der eitlen Hoffnung tröstete: e r
mag das Reich gegründet haben, w i r werden es aufbauen und einrichten. Es
klingt vermessen genug, wenn Roggenbach am 26. Mai 1868 an Jolly über das
Berliner Staatsschiff schrieb: „Die Mannschaft wollen wir doch lieber allein

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