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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
21.1959, Jahresband, Ortsgeschichte von Egringen.1959
Seite: 278
(PDF, 61 MB)
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ihnen". Diese beiden ältesten Urkunden aus dem Leben unserer Gemeinde anläßlich
der Visitationen 1558 und 1591 zeigen, daß Egringen von der Zeit der
Reformation an schon das war, was es durch die Jahrhunderte geblieben ist: ein
Ort, der Erde verbunden, voll Nüchternheit im Ringen um den Alltag, aller
Schwärmerei abhold, darüber hinaus aber von christlicher Sitte geprägt, die dem
Worte Gottes verbunden ist.

Die Zeit nach dem Dreißigjährigen Kriege und vor allem das folgende 18. Jahrhundert
standen auch in Egringen unter dem Zeichen einer ausgeprägten, strengen,
staatlich-kirchlichen Sittenzucht. War doch infolge der Einheit von Kirche und
Staat in der Markgrafschaft immer die Kirchenordnung zugleich auch Staatsordnung
. Schon äußerlich hatten die Kriegsläufe des 17. Jahrhunderts demoralisierend
gewirkt. Sittenlosigkeit und Unglaube hatten vor allem in der 2. Hälfte des
Dreißigjährigen Krieges überall zugenommen. Dem galt es entgegenzutreten. So
sahen es die Markgrafen als eine ihrer vornehmsten Aufgaben an, vor allem
evangelischen Glauben und christliche Sitte in den Herzen ihrer Landeskinder zu
pflegen, an denen alt und jung einen Halt rinden konnte, und stellten dazu die
Kirche in ihren Dienst. Der Pfarrer hatte darum damals eine viel zentralere
Stellung im Dorfe als heute7. Er war nicht nur der Seelsorger seiner Gemeinde in
Predigt, Sakramentsverwaltung und Unterricht. Er führte als Inhaber der
Kirchenbücher die Standesregister und hatte im Dorfe nicht nur die Schulaufsicht,
sondern auch die Sittenaufsicht zu führen. Gelegentlich übertrug man ihm auch
völlig weltliche Aufgaben. Im 18. Jahrhundert wurde ihm z. B. befohlen, für den
Anbau von Maulbeerbäumen am Ort zu sorgen, die vor allem auf dem Friedhof
gepflanzt werden sollten. Außerdem hatte er gelegentlich sogar wirtschaftliche
Funktionen: z. B. wurde ihm im 18. Jahrhundert aufgetragen, seine Pfarrkinder
zur Baumzucht, zum Kleebau, zur Bienenzucht u. a. zu ermahnen. 1762 übertrug
man ihm die Vorbereitung der Schwörenden; Totengräber und Krankenwärter
waren von ihm über ihre Aufgaben zu belehren. Bei der Wahl der Ortsvorgesetzten
und der Hebammen hatte er mitzuwirken. Seit 1755 mußte er zusammen mit dem
Schultheiß alljährlich bei sämtlichen Familien der Gemeinde eine „HausVisitation"
durchführen, die sich in erster Linie auf das Vorhandensein von Bibeln richtete,
doch auch die „Untersuchung des Christentums jeder Haushaltung" zum Zwecke
hatte. Im Jahre 1794 wurde ihm die Abwehr der neuen politischen Ideen - offenbar
der französischen Revolution - zur Pflicht gemacht. Vom 17. Jahrhundert an
oblag ihm die Durchführung der Kirchenzensur. So bediente sich der markgräfliche
Staat der Kirche als seines Werkzeuges, um seine Bürger zu rechten Christen
und damit zu tüchtigen Untertanen zu machen, und es gab niemanden in Egringen,
der es nicht mit seinem Pfarrer gar oft zu tun bekam.

Ein Blick in die markgräfliche Zuchtordnung zeigt uns den Ernst, mit dem sie
getrieben wurde. Die Landesordnung verpflichtet schon im 17. Jahrhundert jeden
Untertanen zum Gottesdienstbesuch, denn ohne wahre Gottesfurcht könne kein
Regiment bestehen. Die Untertanen werden darum angewiesen, auch ihre Kinder
zur Gottesfurcht zu erziehen. Es folgen in der Landesordnung dann scharfe Bestimmungen
gegen Gotteslästern, Fluchen und Schwören, das Verbot von
Zauberei, Segensprechen und Wahrsagen, Maßregeln gegen Trunksucht und Unzucht
. Von 21.00 Uhr an, wenn die Glocke geläutet wurde, durfte im alten Egringen
den Gästen in den Wirtschaften nichts mehr verabreicht werden, und ein Betrunkener
, der in der Öffentlichkeit Ärgernis erregte, mußte mindestens 2 Gulden
Strafe bezahlen. In den Wirtschaften waren lange Zeit Fluch- und Schwörbüchsen
aufgestellt, wobei der Wirt dafür zu sorgen hatte, daß jeder Gast, der einen Fluch
ausgestoßen oder eine Schwurformel gebraucht hatte, ein Geldstück einwarf. Die
Eltern von Kindern, die zu bald nach der Hochzeit das Licht der Welt erblickt
hatten, wurden im 17. Jahrhundert nach der Zensurordnung bestraft8. Kam ihr

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