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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
21.1959, Jahresband, Ortsgeschichte von Egringen.1959
Seite: 280
(PDF, 61 MB)
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glieder sollten „im Christentum besonders sich übende Personen sein". Auch das
Zensurgericht hatte zuerst den Schuldiggewordenen nur zu verwarnen. Geschah
dies vergeblich, so hatte es die ihm zustehenden Strafmittel anzuwenden. Es durfte
Strafen bis zu 1 fl. verhängen und bis zu 3 Tagen ins Bürgerhäuslein „eintürmen".
Schwierige Fälle wurden dem Spezial bei der Kirchenvisitation zur Beurteilung
vorgelegt. Größere Vergehen waren an das Oberamt zu melden. Die Sitzungen
des Zensurgerichtes fanden in Egringen im Pfarrhause statt. Später wurden auch
Uneinigkeiten in Familien, Maßnahmen für Arme, Kranke und Waisen sowie
Fragen der öffentlichen Erziehung vor ihm entschieden. Den Kirchenbann kannte
die Markgrafschaft nur in der milderen Form des Ausschlusses vom Heiligen
Abendmahl, der aber nur vom Kirchenrat verhängt werden durfte. Ein wichtiges
Amt innerhalb der Zuchtordnung hatten die „Kirchenrüger". Schon das Landrecht
von 1622 hatte die Aufstellung von Ratsmitgliedern angeordnet, die säumige
Kirchgänger anzeigen sollten. Egringen hatte wohl seit je zwei solcher Kirchenrüger
. Ihnen war aufs Ganze gesehen die Aufsicht über die Sittenzucht in der
Gemeinde zur Pflicht gemacht. Sie wurden deshalb vor dem Oberamte vereidigt.
Die Zensurordnung von 1798 erweiterte ihren Bereich auf alle wichtigen Äußerungen
des Gemeindelebens und gab ihnen den Titel „Kirchenzensoren" oder
„Kirchenälteste". Sie nannte sie die „Gehilfen des Pfarrers in der Aufsicht über die
Kirchspielsgemeinde". Aus den ursprünglich bescheidenen Aufsehern über den
Gottesdienstbesuch waren nun Mitarbeiter des Pfarrers in allen wichtigen kirchlichen
Angelegenheiten geworden. Dieser Kreis der Kirchenzensoren ist um so
wichtiger, als in ihm zum ersten Male in der Geschichte der Markgrafschaft das
Laienelement in der Kirche zum Zuge kam. Er wurde dann im 19. Jahrhundert
zum direkten Vorgänger des Kirchengemeinderats. Gehen doch gerade auch in
Egringen die Protokolle der Kirchenzensur direkt in die des Kirchengemeinderats
über! Ja, Verstöße gegen die Sittlichkeit kommen nach 1821 in Egringen noch
vor den Kirchengemeinderat wie einst vor die Kirchenzensur - allerdings ohne
eigene Strafdiktate, die seit 1821 über das Bürgermeisteramt gehen. Dieser Zustand
bestand bis 1860.

Wie haben wir uns nun auf diesem Hintergrunde den sittlich-religiösen Alltag
unserer Egringer Gemeinde vorzustellen? Im allgemeinen zeigen die Jahrhunderte
übereinstimmend, daß die Sonn- und Feiertage in Egringen still zugebracht
wurden. Es herrschte Ordnung unter den Egringern, und besonders das 19. Jahrhundert
malt von ihrem Gemeindeleben manch liebliches Bild. „Egringen ist als
stille, friedliche Gemeinde bekannt mit fleißigen, dem landwirtschaftlichen Beruf
angehörigen Bewohnern, die den väterlichen Sitten noch ziemlich treu sind. Es
herrscht kirchlicher Sinn, und dem Geistlichen wie dem Lehrer wird Ehrerbietung
und Anhänglichkeit bewiesen" (Bericht des Visitators 1861). „In den meisten
Familien, treu in ihrem Beruf, herrscht zugleich auch Frömmigkeit und Gottesfurcht
; Gebet und häusliche Erbauung durch Lesen der Heiligen Schrift und aus
guten Erbauungsbüchern, welche noch häufig in den Häusern sich vorfinden,
werden vielfach in Übung gehalten. Die Gottesdienste werden ordentlich besucht
und das Heilige Abendmahl in Ehren gehalten. Auch im Besuche der Bibelstunden
glaubt man, eine Besserung bemerkt zu haben" (Visitationsbericht 1859). Und
lieblich klingt es uns schon aus dem Jahre 1790 herüber: „Das Betragen der sämtlichen
Zuhörer während des Gottesdienstes war sehr anständig. Der Kirchengesang
ist schön und der Provisor spielt die neue Orgel meisterhaft" (Visitationsprotokoll
). Aber dies trauliche Bild war auch den Egringern nicht in den Schoß
gefallen. Es war hart umkämpft und eine Frucht der steten treuen Bemühung um
eine rechte Gemeindezucht. Denn die zurückliegenden Zeiten kennen bei Visitationen
auch mancherlei Klagen. 1755: „Die Sonn- und Feiertage werden nicht
stille zugebracht, man zeche in den Wirtshäusern, kegle und laufe herum". 1754

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