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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
23.1961, Heft 1, Müllheim Baden.1961
Seite: 63
(PDF, 52 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1961-01/0065
XV. Einheit und Freiheit für das Deutsche Vaterland

Das Jahr 1816 brachte viel Nässe und Kälte, so daß Ernte und Herbst verdarben
. Daraus ging jene Teuerung hervor, welche das Jahr 1817 zum
schlimmsten Notjahr für alle Zeiten gemacht hat. Alle Veranstaltungen zur Austeilung
von Brot erwiesen sich bald als unzureichend. Die Hungernden kochten
Gemüse aus Nesseln, buken Brot aus Kleie und Hafermehl. Vom Walde, wo
Hungertyphus herrschte, wandten sich Tausende den Tälern und dem Rebland
zu, um sich durch Betteln das Leben zu fristen. Im fruchtbaren Rebland, wo
noch irgendwelche Vorräte vorhanden waren, geschah viel zur Linderung der unaussprechlich
großen Not. Viele Leute machten sich bereit, der harten Heimat zu
entfliehen. Sie wanderten aus nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten
: nach Amerika.

Die großen Opfer an Blut und Leben, an jungen Männern im schönsten und
blühendsten Alter, die das Volk tragen mußte, hatten zur Folge, daß sich das Verlangen
einstellte, an der Regierung mitzuwirken. Nach Uberwindung des Mißtrauens
des Großherzogs Karl gelang es, am 22. 8. 1818 die badische Verfassung
unter Dach und Fach zu bringen.

Auf Grund der Wahlordnung wurde als Vertreter des Bezirks der Müllheimer
Nikolaus Blankenborn - Fischer, der von 1825-1836 Bürgermeister war, gewählt
. Der erste Landtag wurde nach Karls Abscheiden durch seinen Nachfolger,
Großherzog Ludwig im Jahr 1819 einberufen. Dieser besuchte am 9. September
1819 die Stadt Müllheim, die es an allerlei Festlichkeiten nicht fehlen ließ.49)

In den folgenden Jahren wurde das Schlachthaus, „Schol" genannt, über den
Bach gebaut und die Neue Straße, die heutige Werderstraße, angelegt. Als Großherzog
Ludwig im Jahre 1830 starb, atmete das Volk auf. Er hatte sich über manche
wichtige Bestimmung der Verfassung hinweggesetzt. Mit der Linie Hochberg
kamen nun die Erben der zweiten Ehe auf den Thron, als erster Leopold.

Er war in vielem das Gegenteil seines Vorgängers. Von großer Herzensgüte
und Leutseligkeit, betrachtete er die Verfassung nicht als eine unbequeme Einschränkung
seiner Macht, sondern als eine wertvolle Bürgschaft für das Staatswohl und
als ein starkes Band zwischen Fürstenhaus und Volk. Auf Rat und in Begleitung des
Ministers Winter machte er eine Reise durch das Land und wurde dabei an der
Post in Müllheim mit „jubelvoller Feierlichkeit" willkommen geheißen.
Von großer Bedeutung für die Befreiung des Bauernstandes von überholten Lasten
war das Gesetz von der Zehntabi ösung, das am 15. März 1833 verkündigt
wurde. In Müllheim wurden durch den Abgeordneten Bürgermeister
Blankenborn die Arbeiten und Verhandlungen sogleich aufgenommen, zum
Vorteil der Zehntpflichtigen, teils auch zum Nachteil der Zehntberechtigten. Die
Regierung hatte eine Tilgungskasse eingerichtet, gab notfalls auch einen
Zuschuß, um den zwanzigfachen Betrag der Ablösung durch die Gemeinden aufzubringen
.

Ein weiterer bedeutsamer Schritt war der Beitritt zum preußischdeutschen
Zollverei n.50) Dadurch fielen im innerdeutschen Warenverkehr
die Schranken an den Landesgrenzen. Dahinter stand die Gestalt des Reutlingen
Friedrich List, des Wortführers einer nationalen Ökonomie, der in Amerika
die große Bedeutung durchlaufender Eisenbahnlinien kennen gelernt hatte, und
dafür auch in Deutschland die Kaufleute zu gewinnen trachtete. In Verbindung

49) Sievert, S. 122 f.

50) Sievert, S. 126 ff.

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