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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
23.1961, Heft 1, Müllheim Baden.1961
Seite: 85
(PDF, 52 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1961-01/0087
Die Ausschußmitglieder fühlten sich durchaus als die Vertreter und Beauftragten
der Landschaft. Die Gesamtheit hatte auch politische Rechte, nämlich das Recht
eigenen diplomatischen Verkehrs, auch mit auswärtigen Herrschaften
und das Recht des passiven Widerstands gegen den Landesherrn
. Sie besaß auch ein eigenes Steuerwesen mit eigener Verwaltung,
die in den Händen der Landschaftseinnehmer lag. Sie führte auch ein
eigenes Siegel.

Aus den Berichten der Verhandlungen ist zu entnehmen, daß die Ausschüsse
eifersüchtig über ihre Rechte wachten, und daß das Bewußtsein des Einflusses ihrer
Vertretung bei den Untertanen sehr wohl bestand. Sie wußten ihre Macht zu schätzen
und verfochten ihre Überzeugung selbst gegen den Landesherrn, traten also hier
vom passiven zum aktiven Widerstand über. Dankbar wußte es der Ausschuß auch
einmal anzuerkennen, daß selbst der Landvogt von Rötteln sich schützend vor die
Rechte des Ausschusses stellte, als eifrige Herrendiener die Landschaft zu übertölpeln
suchten (1509).

Die Landschaft war auch verpflichtet, in Kriegsgefahr die Burgen der Herrschaft
zu besetzen, also Rötteln, Sausenberg, Badenweiler, Brombach. Sie kannte durch
ihre Anwesenheit genau die Räume der Berghäuser und ihrer Amtsstellen, also der
Herrschaftsräume, der Landschreiberei - in Badenweiler der Amtsschreiberei - und
der Burgvogtei als der Finanzstelle. Im Bauernkrieg des Jahres 1525 fügten sie
daher diesen Burgen keine Beschädigungen zu; nur auf Rötteln erbrachen sie das
Archiv und vernichteten die Zinsregister, die Beraine und andere Urkunden, was
sie bei den Friedensverhandlungen zu Basel bitter zu bereuen hatten. Die Herrschaft
hatte den Nutzen davon, wo die Bauern ihre Anrechte nicht mehr zu beweisen
vermochten.

Der Schriftverkehr der markgräflichen Beamten mit den Ausschüssen bediente
sich in den Anreden festgefügter Formeln; eine solche lautete: „Den ehrenfesten,
fürsichtigen, auch vorgeachteten Herren Wohlverordneten Engeren Ausschüssen
der Herrschaft. . ., unsern insbe«onders geliebten Herren Nachbarn". Dem einzelnen
Mitglied stand der Titel „Ehrenfester und wohlvorgeachteter Herr" zu,
und so trug der Pfarrherr den Todeseintrag eines Ausschußmitgliedes ein. Mit
der Bezeichnung „Herr" ist der Ausschußerwählte herausgehoben aus der Bauernschaft
. Der einfache gemeine Mann, auch der Vogt oder Richter oder Geschworene
wurde nie mit diesem Titel erwähnt, es sei denn, sie wären im Ausschuß
als Abgeordnete tätig gewesen.

Die Grabtafeln solcher Ausschußmitglieder erwähnen diese Tätigkeit immer
sehr deutlich.

Hinter der alten Martinskirche in Müllheim steht eine solche
Grabtafel. Der Kopf der Tafel fehlt. Der folgende Text ist in den letzten drei bis
vier Zeilen unleserlich. Da das Totenregister der Müllheimer Kirchenbücher erst
1650 beginnt, sind die Abschiede der Tagungen der Ausschüsse beizuziehen. Da ist
als Mitglied dieser ehrsamen Vertretung des Landes erwähnt vom Jahre 1605 an,
auch für 1614 und 1624, Vogt Bartlin Binkisser von Müllheim.
Ihm gehört wohl sicherlich die Grabtafel zu.1

l) Der Text ist stellenweise der heutigen Schreibart angeglichen, auch die Satzzeichen sind
nach dem gegenwärtigen Gebrauch eingesetzt.

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