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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
23.1961, Heft 1, Müllheim Baden.1961
Seite: 137
(PDF, 52 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1961-01/0139
Die Jahre 1848/49

Von Theodor Scholz

Das Städtchen Müllheim geriet wiederholt in enge Berührung mit den Ereignissen
der Jahre 1848/49 - teils infolge seiner geographischen Lage, teils auch infolge
der „radikalen" Gesinnung eines Teils seiner Bewohner. Die Unruhen des Jahres
1848 begannen auffallenderweise mit Krawallen gegen die Juden, denen in
einer Märznacht Fenster, Türen und Tore planmäßig zertrümmert wurden, ohne
daß jedoch Eigentum geraubt oder eine Person mißhandelt worden wäre. Einen
politischen Anstrich bekamen die Unruhen dadurch, daß dem Amtsassessor Winter
die Fenster eingeworfen wurden und vor dem Amtshause ein Zug von
etwa 500 Leuten mit schwarz-rot-goldener Fahne erschien,
um den Oberamtmann Kuen zu zwingen, ein paar gefangene Handwerksgesellen
freizugeben.

Zu dem Hecker-Zuge, der am 12. April in Konstanz begann und schon
nach acht Tagen auf der Scheideck bei Kandern kläglich endete, kam Müllheim
nur in lose Berührung. Hauptsächlich dadurch, daß das „royalistische" Hauptquartier
von Emmendingen nach Müllheim verlegt war und die gegen Hecker bestimmten
Truppen, ein Bataillon Hessen, ein Bataillon vom badischen Leibregiment,
ein Bataillon vom zweiten Regiment, zwei oder drei Schwadronen Dragoner in
Müllheim und Umgebung in der Nacht vor dem Gefecht auf der Scheideck in Quartier
lagen. Müllheim machte an diesem Tage Bekanntschaft mit einer der hübschen
Amazonen der Revolutionäre. Es war dies die Frau des Dichters Herweg
h , der mit seiner deutsch-demokratischen Legion von Paris an den Rhein
marschiert war. Sie wollte die Lage eruieren, kam nach Freiburg, wo sie zu ihrer
Freude die Turner auf dem Karlsplatz tüchtig am Exerzieren fand, verbrachte unter
ihrem Schutz die Nacht in Freiburg und kam am nächsten Tag nach Müllheim, um
Hecker zu suchen. Sie wird geschildert als junge, liebenswürdige Frau in den zwanziger
Jahren, Tochter eines Seidenhändlers aus Berlin, hübsch gewachsen, bräunlich-
blond mit blauen Augen, das Haar nach Männerart geschnitten, auf ihm ein breitkrempiger
schwarzer Hut sitzend. Zu schwarzen Tuchpantalons (Beinkleidern) trug
sie eine schwarze Samtbluse mit breitem Ledergürtel, aus dem Terzerole und ein
Dolch hervorblinkten. Sie war nicht nur ein resolutes, sondern auch ein radikales
Persönchen, das nicht bloß eine badische und deutsche, sondern möglichst eine europäische
Republik wollte.

Da die hübsche Emissärin Hecker in Müllheim nicht fand, reiste sie weiter per
Pferd, per Esel, per Wagen, traf abends in Zell ein und kam auf diesem Umwege
spät in der Nacht nach Kandern, wo schon alles in Aufregung wegen des bevorstehenden
Gefechts war. „Wir sind in der Mausefalle", hörte sie Hecker sagen; „die
Truppen rücken von allen Seiten heran". FrauHerwegh konnte zwar den Dr.Hecker
wegen der allgemeinen Unruhe nicht stellen, erhielt aber von seiner Umgebung den
Bescheid, daß die deutsch-demokratische Legion losschlagen solle. (Die Folge war
ihre vernichtende Niederlage bei Dossenbach durch die Württemberger.)

Eine dritte Beziehung zum Heckerzuge erhielt Müllheim dadurch, daß der auf
der Scheideck gefallene General Gagern auf dem Müllheimer Friedhof beigesetzt
wurde. Er ruhte dort nicht in Heimaterde, da er kein Badener war. Seine Berufung
an die Spitze des Kampfes gegen die Revolutionäre war merkwürdig genug. Gagern
war ursprünglich nach dem Besuche des Gymnasiums Weilburg a. d. Lahn Student
in Göttingen, wo er infolge einiger Duelle relegiert wurde. Er ging dann zur österreichischen
Armee, um später, wie sein Vater, in die Dienste Nassau-Oraniens zu

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