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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
23.1961, Heft 1, Müllheim Baden.1961
Seite: 142
(PDF, 52 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1961-01/0144
Nach ein paar Tagen kamen Struve und Frau, die in Wehr auf der Flucht
gefangen genommen waren, wieder nach Müllheim. Frau Struve berichtet darüber:
„Es war Mittwoch morgen früh um zwei Uhr. Vergangenen Sonntag waren wir
Republikaner noch Meister in Müllheim gewesen. Damals jauchzte das Volk Struve
und seinen Freunden entgegen, jetzt waren diejenigen aus ihren Häusern hervorgekrochen
, die sich in jener Zeit verborgen gehalten hatten. Vor vier Tagen wurden
Struves Weisungen in Müllheim noch aufs genaueste vollzogen, jetzt waren wir
Gefangene in demselben Ort! So schnell wechseln die Schicksale der Menschen. In
einem kleinen Zimmer waren wir zu sechs Personen eingeschlossen. Zwei Soldaten
standen in unserem Zimmer Wache, unmittelbar neben demselben war in einem
großen Saale die Hauptwache, welche wohl eine halbe Kompanie stark war. Vom
frühen Morgen wurden wir von neugierigen Gaffern heimgesucht, welche ihren
Empfindungen zum Teil auf die sonderbarsten Bemerkungen ihren Lauf ließen. Der
eine sagte: „Das ist ein schönes Gelichter!", der andere: „Das ist also Deutschlands
Kaiser, der Befreier des Volkes!", ein dritter bemerkte: „Mit dem Unglück muß
man immer Mitleid haben." So ging es fast den ganzen Tag hindurch, solange wir
uns in Müllheim befanden. Drei lange Tage (Mittwoch, Donnerstag, Freitag) brachten
wir daselbst zu, ohne zu wissen, was unsere Gegner über uns beschlossen hatten."

Struve hatte Glück. Die zum Standgericht gehörenden drei Richter aus dem
Zivilstande waren der Meinung, daß über ihn nicht gerichtet werden könne, da das
Standrecht (das Erschießen bedeutet hätte) erst nach seinem Putsch verkündet worden
war. In der Folge wurde er mit samt seiner Frau nach Freiburg gebracht, wo
zum ersten Male in Baden das Schwurgericht in Tätigkeit trat und ihn zu acht Jahren
Zuchthaus verurteilte. Das Verfahren gegen Frau Struve wurde niedergeschlagen
, Struve selbst wurde bereits bei dem dritten badischen Aufstand am 14. Mai
1849 befreit.

Nach dem Abzüge Struves aus Müllheim übernahm hier N e f f das Kommando
. Zunächst kamen noch auf die Exekutionen hin Mannschaften von allen
Seiten, so daß es in Müllheim von Leuten wimmelte, doch ließ das bei Bekanntwerden
der Staufener Niederlage schnell nach. Es mehrten sich die Fälle von Insubordination
, viele von den nur unwillig Gekommenen rissen bei der nächsten
Gelegenheit aus, und schon mußte Neri in seinen Erinnerungen schreiben:

„Der Zivilkommissär Breitenstein war nirgends mehr zu sehen. Er soll sich
krank gemeldet haben. Hingegen war Bürger Dörflinger in unermüdlicher
Tätigkeit. Durch die vielen oft widersprechenden Befehle einiger alter Freischärler
, die sich unberufen auf dem Rathaus befanden, und die sie mir von
allen Seiten zum Unterschreiben hinstreckten, die ich aber meistens zerreißen
mußte, ließen mich auf die Wirtschaft schließen, die sie in meiner Abwesenheit
geführt haben mochten."
Am nächsten Tag schreibt Neff schon aus Müllheim:

„Und als ich auf das Rathaus kam, in das ehemalige Hauptquartier, waren
die Fahnen hineingenommen, die Papiere ausgeräumt, und selbst schon der
Boden und die Stiege, die sonst dicht von Revolutionsgegenständen übersät
waren, sorgfältig ausgekehrt. Vor dem Rathaus standen mehrere Müllheimer
Bürger. Ein Gemeinderat lief mir nach und erklärte mir, daß die anderen alle
schon die Flucht ergriffen hätten, was ich selbst einsah, und daß das Militär in
der nächsten Nähe sei. Er riet mir daher, wie er sagte, als Freund, mich so
schnell wie möglich davonzumachen."

Außer Neff hat noch ein anderer Anhänger Struves die Revolutionsgeschichte
jener Tage geschrieben, G. Thielmann. Er erzählt:

„In Müllheim fand ich die größte Unordnung an. Niemand wußte wer Herr
und Diener sei. In dieser Stadt lagen ungefähr 700 Mann aus verschiedenen

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