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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
23.1961, Heft 1, Müllheim Baden.1961
Seite: 144
(PDF, 52 MB)
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Die weiteren Ereignisse sind bekannt. Der Großherzog hatte in der Folge die
Hilfe der deutschen Zentralgewalt in Frankfurt und der preußischen Regierung
angerufen. Die Preußen stellten zwei Armeekorps unter dem Oberbefehl des
Prinzen Wilhelm auf. In Baden wurde zunächst lebhaft gekämpft. Bekannt ist das
merkwürdige Gefecht bei Waghäusel, wo die Badener zwar den Preußen
böse zusetzten, nachher aber durch die, angeblich infolge Verrats, retirierenden
Dragoner zu wilder Flucht mitgerissen wurden. Nach dieser Schlacht und den
Gefechten bei Gernsbach, Kuppenheim usw. stand den Preußen ganz Baden offen.
In der Festung Rastatt wurden noch gegen 6000 Revolutionäre eingeschlossen und
die übrigen weiter nach der schweizerischen Grenze zu gedrängt. Müllheim, wo
inzwischen die Republik feierlich verkündet und unter begeisterter Beteiligung der
Bevölkerung aus der Bürger- eine Volkswehr mit schwarz-rot-goldener Fahne
gebildet war, wurde durch die flüchtenden Truppen wieder hart mitgenommen. Am
9. Juli rückten dann die ersten preußischen Truppen ein, und zwar
rote Husaren, denen sofort Infanterie folgte. Von da an gab es ununterbrochen
Einquartierung. Außer den durch die durchziehenden Truppen entstehenden Lasten
gab es noch andere Beschwerungen: im Rathaus wurde ständig eine Hauptwache
untergebracht, im Bahnhofsgebäude kontrollierte gelegentlich eine Wache die Eisenbahnreisenden
, bei der Kittlerschen Wirtschaft an der Bahn (Bahnhofhotel) war
dauernd ein Reitplatz für die Kavallerie eingerichtet usw.

Im ganzen Land begann die Tätigkeit der Standgerichte. Baden hatte
damit seine Gerichtsbarkeit in die Hände Preußens gelegt. Der Dichter Ludwig
Uhland schrieb über die preußischen Urteile in Baden: „Ist es denn jemals erhört
worden, daß eine Regierung den Stab der Blutgerichte über ihre eigenen Angehörigen
freiwillig in die Hände einer fremden Militärgewalt übergeben hat. . .? Es ist
wahrlich nicht abzusehen, wie eine Regierung sich befestigen kann, die den ernstesten
Teil des Richteramts verfassungswidrig auf eine Weise hingibt, wodurch bei
der besiegten Partei fortwährend der Schrei nach Rache geweckt und auch bei
solchen, die nicht zu dieser Partei zählen, der Groll des Widerwillens und der Entrüstung
erzeugt wird."

Eines der ersten Opfer war der Sohn des Potsdamers Justizrates Dortu, der auf
dem Kirchhof zu Wiehre erschossen wurde. An derselben Stelle mußte auch Friedrich
Neff von Rümmingen sein Leben lassen. Leonhard Müller schreibt
in seinem Buch „Die politische Sturm- und Drangperiode Badens": „Wochenlang
brachte die Karlsruher Zeitung in großen Beiblättern Fahndungen und Steckbriefe
gegen Personen, die gerichtlich verfolgt werden sollten. Die Gefängnisse waren
überfüllt. In Rastatt befanden sich allein 5600 Gefangene. Sie waren in Kasematten
, oft 150 in einem Räume, untergebracht, schlecht gekleidet und genährt, so
daß der Stand der Kranken die Zahl 1000 überstieg. . . Angehörige des Landes
wurden aus ihren Familienkreisen gerissen, in ihren Geschäften ruiniert, sie selbst
mit den Ihrigen den bittersten Nahrungssorgen überantwortet."

Auch über die Zustände im Müllheimer Gefängnis wurde vielfach von den
Gefangenen geklagt. So jammert der gefangene Amtsrevisorats-Assistent Lattner
am 17. Dezember 1849, daß er an Krätz, Aisen und Geschwüren leide, so daß er oft
weder stehen noch gehen, weder sitzen noch liegen und kaum eine Hand mehr
rühren könne. „Meine politischen Mitgefangenen - fünf an der Zahl - zu sechs in
einer kleinen Zelle eingepfercht, scheuen sich vor meiner Krankheit, welche schon
Spuren an ihnen selbst entdecken ließ." Der Landwirt Roggenburg er von
Buggingen aber schreibt: „Während sechs Wochen wurde ich hier nicht aus
dem Kerker gelassen. . . Die einzige Erholung wurde uns auf einem schmalen und
finsteren Gang gestattet, wo die Luft durch die Ausdünstung der Abtritte verdorben
ist; wo seit Eintritt der rauheren Jahreszeit in vier heizbaren, engen Kerkerzellen

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