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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
23.1961, Heft 1, Müllheim Baden.1961
Seite: 146
(PDF, 52 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1961-01/0148
Aus der Geschichte der Juden von Müllheim

Von Ludwig Kahn

Das Land Baden, das in seiner heutigen Gestalt im wesentlichen erst seit dem
Jahre 1806 besteht, war in früheren Jahrhunderten durch seine territoriale Zersplitterung
ausgezeichnet. Eine Reihe weltlicher und geistlicher Fürsten übten ihre
Herrschaft aus. Juden, besonders nachdem sie im 14. und 15. Jahrhundert aus den
wirtschaftlich erstarkten Städten vertrieben wurden, wohnten in fast allen diesen
Hoheitsgebieten. Wir finden das Bestehen zahlreicher Judengemeinden in den vormals
vorderösterreichischen Gebieten, im Fürstentum Fürstenberg, in der Markgrafschaft
Baden-Baden und Baden-Durlach, im Bistum Speyer, in der Kurpfalz, in der
Grafschaft Wertheim, um nur einige zu nennen. Man nimmt an, daß Juden schon
mit den Römern in Germanien einwanderten und sich besonders an den Rheinufern,
längs der großen Handelsstraßen, ansiedelten.

Die ersten Urkunden, die vom Aufenthalt von Juden in den badischen Landen
Aufschluß geben, stammen aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts: in Überlingen
ist die Anwesenheit von Juden bereits um 1226, in Freiburg um 1230 (1543 wieder
ausgewiesen bis 1866) Konstanz 1241 urkundlich bezeugt. Später in der ersten
Hälfte des 14. Jahrhunderts gibt es Juden in Heidelberg, Endingen am Kaiserstuhl,
Lahr, Offenburg und Waldshut. Mit den an Zahl und Geld reichen
Juden von Straßburg standen die Markgrafen von Baden
in vielfachen Beziehungen: sie waren Schuldner
derselben.

Die schrecklichen Verfolgungen, denen die Juden zur Zeit der Kreuzzüge ausgesetzt
waren, die Beschuldigungen während der Pestzeit, die Brunnen vergiftet zu
haben, richteten ein furchtbares Blutbad unter den Juden an. Die Chroniken sind
voll von den entsetzlichen Greueltaten und schätzen die Zahl der Umgekommenen
auf 100 000. Die großen jüdischen Gemeinden des Mittelalters
wurden vernichtet. Von dieser Zeit an beginnen sich die Juden
auf dem flachen Lande anzusiedeln, in kleinen Dörfern, wo sie, dank der Gunst
der Herrscher, geduldet waren, oft aber auch aus fiskalischen Gründen, da die Hereinbringung
der sogenannten Judenabgaben eine willkommene Finanzquelle für
die fürstliche Schatulle bildete.

Zu den ehemaligen, heute nicht mehr bestehenden, relativ spät, um 1720 entstandenen
ländlichen Judensiedlungen Süddeutschlands darf auch Müllheim gezählt
werden. Allerdings, wenn man mehr als 600 Jahre „zurückblendet", ist die Seßhaftigkeit
von Juden in der Umgebung von Müllheim, in Neuenburg, bereits
um 1354 urkundlich erwähnt. Denn um diese Zeit wurde der Bürgerschaft
von Neuenburg durch Kaiser Karl IV. und Herzog Rudolf von Österreich die
„Freiheit von Judenschulden" erteilt, nachdem die Juden in Basel (9. Januar 1349),
Straßburg (14. Februar 1349) auf einem Scheiterhaufen verbrannt und ausgetrieben
wurden. Auf der Gemarkung Müllheim führt ein Gewann im Mattfeld den Namen
„Judenkirchhof". Es ist aber urkundlich nicht erwiesen, ob der Name etwas mit
einem Judenfriedhof zu tun hat. Sievert berichtet in seiner Chronik von Müllheim
von einem 1576 wegen Diebstahl gehenkten Juden.

Im Gegensatz zum benachbarten Sulzburg, wo Juden schon im Jahre 1537
urkundlich belegt sind - der den Juden wohlgesinnte gütige Markgraf Ernst von
Baden gewährte ihnen seinen Schutz — erhielten erst unterm 4. Mai 1716 vier Judenfamilien
Aufenthaltserlaubnis in Müllheim. „Judenschutz" wurde der einzelnen
Juden oder der jüdischen Gemeinschaft gewährte Schutz seitens des Landesherrn
genannt. Seit den Karolingern genossen die Juden, die als Landfremde und Un-

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