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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
23.1961, Heft 1, Müllheim Baden.1961
Seite: 147
(PDF, 52 MB)
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gläubige rechtlos waren, durch die Könige einen besonderen Schutz, wenn sie eine
bestimmte Abgabe - im späten Mittelalter vielfach als drückend empfunden - entrichteten
. Dieser ursprünglich nur einzelnen Juden gewährte Schutz wurde seit den
Kreuzzügen allgemein in der Form der sogenannten „Kammerknechtschaft" (Urkunde
Kaiser Friedrichs I. aus dem Jahre 1182: „Die Juden gehören zur Kaiserlichen
Kammer"). Die ausdrückliche Bezeichnung „servi camerae" = „Kammerknechte
" findet sich allerdings erst in einer Urkunde Kaiser Friedrichs II. aus dem
Jahre 1236. In der Zeit der Vertreibung der Juden aus den größeren Städten führten
manche Fürsten ihre eigene Judenpolitik, wobei vor allem, wie oben erwähnt,
fiskalische Interessen mitspielten; sie gewährten ihnen in ihren Hoheitsgebieten
Schutz gegen Zahlung besonderer Abgaben. Diese sogenannten „Schutzjuden" durften
zwar mit allen Waren handeln, die "Wochenmärkte besuchen, was sogar gewünscht
war, waren dagegen von den durch Zünfte kontrollierten Handwerken bis
zu Beginn des 19. Jahrhunderts ausgeschlossen. Ihre Kinder, mit Ausnahme des
ersten Kindes, konnten wiederum nur durch Zahlung hoher Abgaben das Recht
eines „ Schutzjuden" erlangen. Oftmals wurde es ihnen überhaupt in der Zeit des
absolutistischen Polizeistaates verweigert, weil die Zahl der Schutzjuden beschränkt
werden sollte. Dazu mag auch der Umstand beigetragen haben, daß, wie Karl
Bücher1) bemerkt, „die Einbürgerung fremdartiger Elemente soziale und wirtschaftliche
Reibungen hervorrief", wozu im Zeitalter der Zünfte noch der Konkurrenzneid
in seiner krassesten Form kam.2)

Der Grund weshalb 1716 die erste größere Zahl Juden Schutz in
M ü 11 h e i m erhielten, mag auch der gewesen sein, daß man den Juden zu einer
Zeit schweren wirtschaftlichen Drangsais während der Regierungszeit von Friedrich
Magnus (1677-1709) und von Karl Wilhelm (1709-1738) wieder den Schritt ins
Land gewährte, nachdem Markgraf Georg Friedrich in seinem Testament vom
17. November 1615 angeordnet hatte, daß die Juden aus allen badischen Landen
ausgetrieben und „nie wieder Aufnahme finden sollten". Die Behörden machten
geltend, die Untertanen bedürften der Juden, um ihnen Vieh zu verkaufen
und einen Pfennig Bargeld in die Hand zu bekommen. Wenn man keine Juden ins
Land lasse, so werde die Folge sein, daß die Untertanen die Juden außer Landes
aufsuchten. „Raiffeisenkassen" und landwirtschaftliche Organisationen zur Pflege
des landwirtschaftlichen Kredites gab es damals noch nicht, und die Juden waren
vielfach Darlehensgeber der Landwirte wie in früheren Jahrhunderten zur
Zeit des kanonischen Zins Verbotes, da sie sogar an Könige, Kaiser und Bischöfe
Gelder ausliehen.

Im Jahre 1719 werden in Müllheim die Juden Marx Günzburger und Jakob
Bloch genannt, die sich von Breisach in Müllheim niederließen. Es
waren meistens Knechte oder Verwandte des Josef Günzburger, der den vorder-
österreichischen Schutz zu Altbreisach genoß, umfangreiche Geschäfte betrieb und
der Herrschaft für den Eingang der Schutzgelder verantwortlich war. Es mögen
aber auch Juden aus Stühlingen bei Waldshut und aus der Schweiz
nach Müllheim gezogen sein. Ganz allgemein kann gesagt werden, daß von
einem unbedingten Wohnsitz, von einer Seßhaftigkeit
der Juden zu Beginn des 18. Jahrhunderts, noch nicht
die Rede ist. Sie richteten sich da häuslich ein, wo die staatliche Autorität
ihnen Schutz gewährte und wo sie ihr Auskommen finden konnten, und wo - im
Gegensatz zu früheren Jahrhunderten - als sie in den Städten lebten - die Herrschaften
der verschiedenen kleinen Orte und Dörfer sie zuließen.

*) Karl Bücher: „Die Bevölkerung von Frankfurt am Main im XIV. und XV. Jahrhundert",

Tübingen 1886, Seite 156.
2) Werner Sombart: „Die Juden und das Wirtschaftsleben", Leipzig 1911, Seite 137.

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