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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
23.1961, Heft 1, Müllheim Baden.1961
Seite: 149
(PDF, 52 MB)
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mit Ausnahme der sogenannten Malefizsachen (schwere Verbrechen wie Totschlag) -
unter eigener Gerichtsbarkeit. Hier hatte der Rabbiner als oberster Seelenhirte ein
sehr gewichtiges Wort mitzureden, was bei der Stellung des Rabbiners im 18. Jahrhundert
nicht übersehen werden darf. Die Wahl des Rabbiners mußte denn auch
vom Markgrafen bestätigt werden.

Rabbiner Isack Kahn von Sulzburg war zur Schlichtung eines Streites zwischen
der Judenschaft und Isak Zivi nach Müllheim gekommen. „Er habe drei volle Tage
hier zugebracht, vom 19.—21. Januar 1749, und samt Zehrung 3 Gulden 30 Kr
ausgegeben. Später habe er der Heymann'schen Frau einen Eid abnehmen müssen
und einen Tag mit Zehrung zugebracht und an Auslagen 1 Gulden 30 Kr gehabt",
eine allerdings geringe Summe, für die er erst noch am 13. Februar 1753 Rechnung
stellte, obwohl die Judengemeinde von Sulzburg so arm war, daß sie ihm nicht
einmal seinen Gehalt pünktlich entrichten konnte.

In Müllheim fanden auch Taufen von Juden statt. Im Jahre 1740 nahm eine
Jüdin namens Bloch die Taufe, die sich als Christin „Müllheimerin" nannte,
vielleicht in Verlegenheit der Annahme eines passenden neuen Namens. Vor etlichen
tausend Zuhörern ließ sich 1754 ein Jude taufen, der fortan den Namen
Karl Ludwig Frommann führte. Er soll, wie Sievert in seiner Chronik von Müllheim
schreibt, nicht weniger als 51 Paten, darunter den Markgrafen Karl Friedrich
selbst, gehabt haben. Auch ein Jude aus Hagenthal im Elsaß, Christian Friedrich
Glaubrecht, ließ sich 1777 taufen. Doch sind dies große Ausnahmen, da Juden-
taufen äußerst selten vollzogen wurden.

Um 1810 ist ein langsames Erstarken der Judengemeinde zu beachten. Am
14. Juni 1808 erhob Großherzog Karl Friedrich durch sein
VI. Constitutionsedikt die Juden zu „erbfreien Staatsbürgern",
gewährte ihnen gewisse staatsbürgerliche Rechte, und ging damit allen
deutschen Staaten in der Erteilung der partiellen Gleichberechtigung
voran.

Unterm 31. März 1812 werden von der Herrschaft (Judenakten im Stadtarchiv
Müllheim): „Von der mosaischen Religion als Staatsbürger" die folgenden Juden
aufgenommen: Lazarus Mayer, Liebmann Mayer, Isak Hejm, Moses Zivi, Elias
Mayer, Jakobs Sohn, Jakob Zivi, Lazarus Sommer, Samuel Zivi, Moses Meyer und
dessen Frau, Israel Mayer.

1814 wurde eine neue Oberrheinische Provinz-Synagoge
Müllheim errichtet.

Eine wichtige Etappe in der stufenweisen Gleichberechtigung der Juden Badens
und somit auch derjenigen von Müllheim erfolgte durch Gesetz vom 14. Mai 1828,
indem der liberal gesinnte Großherzog Ludwig von Baden die alten Abgaben
, welche die Juden infolge ihrer Religionseigenschaft entrichten mußten,
rückwirkend auf den 1. Juni 1828 aufhob.

Seit 1828 besaß die Judengemeinde eine eigene Schule, nachdem eine
israelitische Religionsschule bereits um 1790 ins Leben gerufen worden war, wie
auch in Sulzburg. 54 Schulkinder besuchten die öffentliche israelitische
Schule zu Müllheim im Jahre 1838. Damals zählte Müllheim 253 Juden
bei einer gesamten Bevölkerung von 2227 Seelen. Die Schule wurde erst
1876 aufgehoben, nachdem durch Gesetz die katholischen, evangelischen
und israelitischen Schulen geschlossen werden mußten und es fortan nur noch konfessionslose
Volksschulen gab.

Eine eigene Begräbnisstätte dagegen war nicht im Eigentum der
Gemeinde. Die Leichen wurden auf dem uralten, seit Mitte des
16. Jahrhunderts bestehenden, malerischen Waldfriedhof
von Sulzburg bestattet. Erst 1850 kam die Judengemeinde Müllheim
zu einem Friedhof an der Nußbaumallee. Das Studium der Grabesinschriften dieses

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