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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
23.1961, Heft 1, Müllheim Baden.1961
Seite: 151
(PDF, 52 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1961-01/0153
um jeden Samstag Vorträge aus der heiligen Schrift und dem Talmud zu halten.
Auch die edle Gesangskunst wurde durch den Gesangverein „Frohsinn"
gepflegt mit dem Vorsänger Levy als Vorstand.

Der Erwerbszweig der Juden in Müllheim war vor
allem der Pferde-, Vieh- und Weinhandel, ersterer schon seit
Jahrhunderten in Händen der Juden6). Da in früheren Zeiten den Juden der Zutritt
zu den Zünften versagt war, durften sie kein Gewerbe ausüben. 1910 finden
wir in Müllheim ein Kurzwaren- und Kleidergeschäft und eine Eisenhandlung. Viele
Juden wohnten an der heutigen Hauptstraße, wo sich in Nummer
94 auch die Synagoge befand und heute noch befindet.

Die Jahrzehnte um 1890 haben, wie in andern Orten, im Gefolge des Zuges in
die größere Stadt auch die jüdische Bevölkerung Müllheims dezimiert, eine Entwicklung
, die sich zu Beginn des Jahrhunderts stärker akzentuierte. Viele Müllheimer
Juden zogen in das benachbarte F r e i b u r g , aber auch nach Basel (die Familien
Mayer) und nach Zürich (die Familien Heim) und nach Ubersee.
Unter den berühmten Müllheimer Juden wäre Joseph Mayer zu erwähnen,
der im Jahre 1875 in Müllheim geboren war. Nach dem frühen Tode seines Vaters
ist er mit seiner Mutter nach Basel gezogen, um sich nach der bei einem Onkel in
Basel absolvierten kaufmännischen Lehre auf eine schon lange geplante Auswanderung
nach den Vereinigten Staaten vorzubereiten. Er wurde später in
New York Vizepräsident des großen amerikanischen Warenhauses „Macy" und
schrieb ein Buch „A Revolution in Merchandise", eine ausgezeichnete Studie
über die soziologische und psychologische Struktur des
modernen Warenhauses. Als Frucht der Altersweisheit erschien von ihm
ein höchst geistreicher und witziger Aphorismenband. Joseph Mayer ist kürzlich im
Alter von 85 Jahren in Zürich, wo er seinen Lebensabend verbrachte, gestorben.

Der letzte Vorsitzende der Gemeinde 1933 war Gustav
Zivi, dem Leopold Mayer und Julius Mayer Levi (letzterer aus Badenweiler) beigeordnet
waren. Lehrer und Kantor war Jakob Alperowitz.
Der Gemeinde waren die Orte Badenweiler, Schönau, Wehr und Weil angeschlossen
. Acht jüdische Kinder folgten im Jahre 1933 noch dem Religionsunterricht.

Heute leben keine Juden mehr in Müllheim. Während im
ehemaligen Land Baden 1933 noch 21 000 Juden ansässig waren, waren es deren
im Jahre 1950 (Zeitpunkt der letzten Volkszählung) noch 654, heute sind es deren
629. Es ist kaum mehr möglich, festzustellen, was aus der großen Masse der badischen
Juden geworden ist. Viele sind in der ganzen Welt zerstreut. Nicht wenige
aber haben ihre letzte Ruhestätte von ihrer mühsamen Erdenwanderung nach ihrer
Deportation am 2 2. Oktober 1940, also vor 20 Jahren, in G u r s
und Noe (Südfrankreich) gefunden, wo sie auf dem dortigen Friedhof,
fern von ihrem Geburtsland, in dem ihre Vorfahren seit Jahrhunderten lebten, zur
letzten Ruhe gebettet sind. An diesem denkwürdigen Tage wurden 5617 badische
Juden zusammen mit Glaubensgenossen aus der Pfalz und dem Saargebiet in überfüllten
Eisenbahnwagen nach Gurs deportiert. Für die meisten war es, wie ergreifend
in einem vom Oberrat der Israeliten Badens, einer 1809 ins Leben gerufenen
Zentralbehörde zur Aufsicht über die religiösen Angelegenheiten der jüdischen Gemeinden
Badens geschildert wird, die „Wartehalle des Todes". Die über
100 Jahre alte Synagoge Müllheims wurde in der „Kristallnacht" vom 8. November
1938 beschädigt.

In Breisach hat die Stadtverwaltung sinnvoll gemeinsam mit dem Oberrat
der Israeliten Badens eine gärtnerische Anlage geschaffen und einen Gedenk-

fl) Eberhard Gothein: Die badischen Markgraf Schäften im 16. Jahrhundert, Heidelberg 1910,
S. 21/22.

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