Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
23.1961, Heft 1, Müllheim Baden.1961
Seite: 167
(PDF, 52 MB)
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hält und trotzdem so harmlos aussieht wie die Flurnamenkunde. Leider lassen sich
viele täuschen und verleiten, über Flurnamen zu schreiben, ohne die oben erwähnten
unerläßlichen Vorbedingungen zu erfüllen, mit dem Resultat, daß sich in den Bibliotheken
die Stöße von wertlosen Arbeiten türmen, eine Vergeudung von Zeit, Kraft
und Platz, und daß die Flurnamenkunde zeitweise in den Ruf einer Schwindelwissenschaft
kam. Ich habe nicht die im Auge, die uns den Heckenhag und Regenhag
schenkten, sie sind in gewissem Maße sogar schöpferisch tätig, sondern jene, die
unter dem Deckmantel pseudowissenschaftlichen Ernstes ihre Unwissenheit verbergen
. Sie leisten der Heimatkunde einen schlechten Dienst!

Im folgenden werde ich mich hauptsächlich auf meine Doktorarbeit stützen, die
sich im Druck befindet und in Bälde unter dem Titel „Die Flurnamen der Stadt
Müllheim in Badenff in Freiburg erscheinen soll.

Die Flurnamen finden sich im Gemarkungsatlas im Vermessungsamt, in den
Grundbüchern im Notariat und - bei den Bauern selbst. Die schriftlich fixierte Form
des Namens auf dem Amt ist zwar Ausgangspunkt jeder Untersuchung, aber wichtiger
ist, wie der Name ausgesprochen wird. Denn oft kam es vor, daß Beamte, die
meistens von auswärts waren, sich verhörten. Auf allen Ubersichtsplänen der Gemarkung
vom Landesvermessungsamt Karlsruhe steht „Kerzberg" für Krezberg
eingetragen. Die Orthographie ist willkürlich, nebeneinander steht „Stuzenacker"
und „Stürzen"; bei der Schreibung „Lweginsland" wird ein Zugeständnis an die
Mundart gemacht, nicht aber bei „Weidenhwbe", das wiidehuebe ausgesprochen
wird. Wer sich auf die offizielle Schreibung „Ziegleweg" verläßt, wird bei der
falschen Erklärung mit Ziegel enden, zumal es dort auch eine Ziegelmatte
gibt; erst die Mundartform t s i g 1 i w ä ä k (Schlußsilbe betont) führt mit Hilfe
alter Belege zur richtigen Deutung. In Zweifelsfällen verlasse ich mich immer auf
die Mundart, nicht auf den Atlas.

Es gibt eine ganze Anzahl Namen, die nur im Volksmund leben und nie offiziell
niedergeschrieben wurden, ein weiterer Grund, sich nicht nur auf das Amt zu verlassen
. Zu diesen gehören das Anmarschsträßle, das gegen Zienken läuft
und auf dem früher die Soldaten zur Übung marschierten, der Panama- und
Suezkanal in der Unterstadt, der Germanenbahnhof bei der Weinhandlung
Germann, wo sich manchmal im Herbst die Wagen mit den Trauben
drängen, das Bursegäßle beim Hotel Post, Namen nach Besitzern und Anliegern
wie Hasslers Weg und Eckerlins Brücke, Apotheker-
g ä ß 1 e und Blankenborns Wäldele, Musers Gäßle und Nikolausbrücke
; noch andere sind Zigeunerplatz an der Landstraße, wo
sich das „fahrende Volk" im alten und modernen Sinne zum Picknicken niederläßt,
der Judenwinkel beim Hotel Post, der Schelmenbuck bei den Kasernen
, der seinen Namen von Felddiebstählen nach dem Kriege bekam, der L a t -
schariplatz an der Kreuzung der Haupt- und Hebelstraße, das N a c h t i -
gallenwäldele am Zielberg, das Sautrogwegle am Humberg und das
Scheißgäßle in der Unterstadt (muß ich das erklären?). Das sind längst nicht
alle, solche Namen entstehen laufend neu, sie sind oft nur einem kleinen Kreis von
Personen bekannt. Und manche werden in dieser Generation wieder vergessen
werden und verwehen, als hätten sie nie existiert. Wie viele mögen in vergangenen
Jahrhunderten auf diese Weise entstanden und vergangen sein, ohne eine Spur
in einem Dokument zu hinterlassen!

Zur Deutung von Namen, die auf frühere Jahrhunderte zurückgehen, muß man
sich auf die alten Belege stützen. Die Arbeit in den Archiven dient diesem Zweck;
außerdem findet man ausgestorbene Namen und bekommt auf diese Weise Kenntnis

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