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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
23.1961, Heft 1, Müllheim Baden.1961
Seite: 177
(PDF, 52 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1961-01/0179
(15. Jh.), das Hegenegertie zum Hegenäckerle (1863), das Löff-
lergäßle zur Löf felgasse (1882), der Griengarten zum Grüngarten
, der Ganterweiher zum Gandhi.

Es gibt kaum eine Wissenschaft, die nicht einen Nutzen aus der Flurnamenkunde
zöge, es gibt kaum einen Bereich des menschlichen Lebens, der nicht seine Spuren in
den Flurnamen hinterlassen hat. Ich kann unmöglich auf alle Namen eingehen,
wenn auch jeder Name seine eigene interessante Geschichte hat. Aber ich möchte den
Uberblick nicht beschließen, ohne auf eine wertvolle Eigenschaft der Flurnamen
einzugehen: sie bewahren nicht nur alte Wörter, sondern sie verraten uns auch etwas
über die Geschichte unserer Müllheimer Mundart. So ursprünglich und altertümlich
sie neben der Schriftsprache scheint, ist sie doch das Produkt einer langen und von
vielen Seiten beeinflußten Entwicklung.

Greifen wir einmal den Flurnamen Wangen heraus, der ein weit ausgedehntes
Gelände zwischen der Bundesstraße und der Bahn benennt. Sievert (in seiner
Geschichte der Stadt Müllheim) deutet ihn als Wang = Feld, was falsch ist.
1280 lesen wir an den ge wanden, 1513 In den wanden, seit 1538
immer Wangen. Mhd. g e w a n d e ist die Grenze, der Abschluß; die Äcker in den
Wangen liegen an der Grenze gegen den Hacher Bann. Woher kommt der Wechsel
von d zu g? Wir müßten genauer fragen: der Wechsel von nd zu ng, denn damit
haben wir den Schlüssel zur Lösung in der Hand. Es gibt am Rhein entlang von
Basel bis Köln verstreute Inseln, wo die Lautverbindung nd wie in Kind,
Hund, Hand und Linde als ng gesprochen wird, also King, H u n g ,
Hang und L i n g e. Diese Aussprachegewohnheit heißt Gutturalisierung. In
nächster Nähe Müllheims liegt eine Reihe Orte, wo man diese Aussprache hören
kann, nämlich Kleinkems, Blansingen, Welmlingen, Hertingen, Tannenkirch, Holzen
, Hammerstein und die Orte südlich dieser Linie. Deshalb sagt man: i n
Dannechilch het s Hüngli im Chingli ins Hängli bisse,
s Chingli het gschraue als Spottvers. Und daß diese Gutturalisierung
auch in Müllheim einmal bekannt war, dafür zeugt der Flurname Wangen: als die
Müllheimer diese Gewohnheit wieder verließen und zur heutigen Aussprache übergingen
, da hatten sie vergessen, weil einige Jahrhunderte darüber vergangen waren,
daß der Name Wangen eigentlich Wanden hieß, und änderten ihn nicht.
Wangen blieb gleichsam als Versteinerung eines früheren Zustandes liegen. Ich
zweifle nicht, daß früher einmal am ganzen Rhein entlang gutturalisiert wurde,
und daß die heutigen Inseln nur die Reste einer früheren Einheit darstellen. Es gibt
übrigens noch ein Wort in der Mundart, wo das Gutturalisierungs-ng erhalten ist:
die Bauern sprechen von aawange faare, wenn sie quer zur Richtung der
übrigen Furchen noch einige zum Abschluß ackern; die Jungen aber sagen häufig
schon aawande faare. In Oberweiler ist das L i n g e n t a 1 ein weiterer
Hinweis und Beweis, es wird 1327 noch 1 i n d e n t a 1 geschrieben. In Mauchen
finden wir den Lerchensand (für Lerchensang), eine umgekehrte
Schreibung. Wann wurde nun gutturalisiert? Die Bewegung kam, wie viele andere
Einflüsse in unserer Gegend, aus dem Norden; schon 1327 fand ich gutturalisierte
Formen in Holzhausen bei Freiburg, 1423 ge wan gen in Ebringen, 1464 almeng
in Badenweiler und Steinenstadt, 1492 w a n g e n in Müllheim; gehalten hat sich
diese Aussprachegewohnheit bis ins 17. Jahrhundert hinein.

Es gibt noch mehr Spracherscheinungen vergangener Jahrhunderte, die sich aus
den Flurnamen erschließen lassen. Hier eine Auswahl: bis ins 18. Jh. nachweisbar
ist der Verlust von n vor s und f (sog. Staubsches Gesetz), Beispiel Newenbur-
g e r R a u ß 1668; ein kurzer Blick auf die Gemarkungskarten genügt, um für fast
jeden Ort in der Umgebung Reliktformen beizubringen. Sehr spärlich macht sich im
Namenmaterial die Verschiebung von k nach n im Inlaut bemerkbar ( R e n c h -,
r e i n c h - für Renk-), die heute nur noch südlich des Hochrheins gilt. Vom

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