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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
23.1961, Heft 1, Müllheim Baden.1961
Seite: 200
(PDF, 52 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1961-01/0202
Ergänzend wollen wir noch feststellen, wie weit man um 1878 in der eigentlichen
Behandlung der Tuberkulose fortgeschritten war, nachdem die Ärzte sich
lange Zeit damit begnügt hatten, Aderlässe und wertlose Mittelchen zu verschreiben.
Vor allem ist G. A. R. A. Br e h m e r zu erwähnen, der in Verfolgung seiner 1853
aufgestellten These „Die Lungenschwindsucht ist heilbar" ein Jahr darauf für Lungenkranke
eine Heilanstalt in Görbersdorf (Schlesien) eröffnete. Zum erstenmal
wurden dort unter zielbewußter ärztlicher Leitung durch Abhärtung, kräftige Ernährung
und hygienische Lebensweise erstaunliche Heilungserfolge erzielt. Auch
der Gedanke der Luftkurorte begann damals, zuerst in Davos durch Alexander
Spengler, konkrete Formen anzunehmen. Brehmers früherer Mitarbeiter
Peter Dettweiler hatte zunächst die Absicht, eine Anstalt für Freiluftliegekuren
in St. Blasien zu errichten, übernahm dann aber 1876 Falkenstein im Taunus;
nach diesem Beispiel wurden später die zahlreichen, für uns heute selbstverständlichen
Volksheilstätten angelegt.

Doch lag diese Entwicklung noch in weiter Ferne; um die Leistung Dr. Reichs
noch besser beurteilen zu können, lassen wir uns von kompetenter Seite über die
Therapiemöglichkeiten unterrichten, die das benachbarte Badenweiler um 1880
seinen lungenkranken Patienten zu bieten hatte. Dem Bändchen „Badenweiler und
seine Umgebungen" des bereits genannten Badearztes Dr. Wever entnehmen wir
die folgenden Angaben über die Behandlung der Lungentuberkulose, wobei wir uns
bewußt sein müssen, daß den beiden Kollegen von der Universität her die gleichen
Kenntnisse zur Verfügung standen.

Mit Recht betont Wever, daß das milde Klima für Badenweilers Kurerfolge
eine maßgebende Rolle spiele. Während seiner 40jährigen Tätigkeit als Badearzt
konnte er feststellen, daß u. a. „die Phthisen (Auszehrungen) . . . Badenweiler und
seiner nächsten Umgebung fremd" seien. Die „unübertrefflich reine gesunde Luft"
steht „in oberster Reihe der heilkräftigen Momente", was die große Zahl von Patienten
erklärt, die „lediglich des sogenannten Luftbades wegen hierher gesandt
werden". „Ohne Ausnahme aber in allen Fällen" betrachtet er „bei Entkräftung aus
lange dauernden, erschöpfenden Krankheiten" die reine, gesunde Luft „als ein jedwede
Kur kräftig unterstützendes und förderndes Agens". Daraus können wir entnehmen
, daß Wever die Bedeutung Badenweilers als „mit Recht klimatischen
Kurort ersten Ranges" klar erkannte. Vor allem lag ihm aber als Badearzt die
Therme am Herzen, deren „innern Gebrauch" er bei „Leiden der Respirationsorgane
als wohltätiges Unterstützungsmittel jeder Kur" empfiehlt.

Weiterhin legte er, der damaligen Modeströmung entsprechend, großen Wert
auf die Molkenkur, deren Einführung in Badenweiler (1843) sein Werk war. Die
Molken, d. h. das bei der Herstellung von Ziegenkäse anfallende Milchserum, galten
seit jeher als ein beliebtes Heilmittel. Wever schätzte ihre Wirkung u. a. auf die
„Schleimhäute der Athmungswerkzeuge" hoch ein, und die Molken wurden deshalb
bei „allgemeinen Anlagen zu Entzündungskrankheiten und febrilen Aufregungen,
.. . chronisch katarrhalischen, entzündlichen und congestiven Reizungen der Athmungswerkzeuge
" angewandt, ja selbst bei „Reizbarkeit der Lungen, Rückbleibseln
und Produkten stattgehabter Entzündungen, Tuberkelablagerung". Zusätzlich berichtet
er noch über die „glücklichen, nicht selten sogar glänzenden Erfolge" der vom
Arzt in großen und kleinen Quantitäten verordneten Eselinnenmilch bei „Entkräftung
, Abmagerung . . . und chronischen, fieberhaften, die Kräfte consumirenden
Leiden"; eine Therapie, die, wie wir bereits hörten, auf Galens Zeiten zurückgeht!
Für die Einwohner Badenweilers war der Verkauf dieses beliebten Kurmittels ein
erwünschter Nebenerwerb; die frische Milch konnte man in den Stallungen abholen
oder in erwärmten Gefäßen sich ins Haus bringen lassen. Auf Wunsch wurde sogar
vor der Hoteltüre gemolken! Um die Heilkräfte der Milch zu erhöhen, wurden die

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