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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
23.1961, Heft 1, Müllheim Baden.1961
Seite: 241
(PDF, 52 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1961-01/0243
dieren. Müllheim kann stolz auf den Börsig sein, der darin „den Versuch unternommen
hat, summierend und notwendigerweise vereinfachend einige Erläuterungen
zu den Darstellungen des Zuges" gegeben zu haben. Er hat damit, besonders
den Flüchtlingen unter den Lehrern unter die Arme gegriffen, die so
alles geboten erhalten, was zum Flug durch 2000 Jahre nötig ist, um sich von
der bodenständigen Geschichte einen Begriff zu machen. Keiner wird dieses Heftchen
wegwerfen. Auch ich nicht.

Der Bürgermeister Erich A. Graf müßte nicht der Graf von Müllheim und
sogar der Gaugraf sein, wenn der Umzug nicht pünktlich begonnen hätte. Wenn
er nicht lückenlos, mit dem genau errechneten Abstand der Gruppen sich in
Marsch gesetzt hätte. Unsere uniformierten Natoverbündeten, die als Zuschauer
die Straßen säumten, mochten sich darüber nicht wenig gewundert haben. Auf
die Sekunde bollerten die Kanonen, die auch an der Fasnet losdonnern. Schon
nahte der Herold mit den Berittenen und die großartigen Fahnenschwinger, das
hohe Ereignis anzukündigen, und dem Andachtsschauer vor der zwölfhundertjährigen
Jubilarin, den Durchzug vom Genick bis runter die Gasse zu öffnen.
Nach ihnen schritten die noch unterkieferbetonten Vorfahren der Steinzeit
heran, in Fellen und mit Steinwaffen, ebensogut dem Nußknacken wie Schädeln
angepaßt. Daß einige Vertreter der Jungsteinzeit darunter waren, machte uns
ihnen gegenüber geradezu zutraulich. Dann die Kelten, die zwar in der Markgrafschaft
noch nicht kelterten, doch schon den Römern voraus Trinkgefäße auf
der Töpferscheibe drehten. Und nun die Alemannen, die ganz wie im Dritten
Reich, im Umzug ungestört Sonnwend feierten. Unsere Vorfahren, die Alemannen
, die einst im römischen Hollywood, Badenweiler, mit dem Kulturvolk aus
dem Süden aufräumten. Man fand kaum Zeit, sich weltanschaulich so schnell
umzustellen, wie der Ablauf des Zuges es verlangt hätte. Denn schon nahten
die Christen. Solch ein Aufgebot von Mönchen hat Müllheim nie zuvor erlebt.
Beginnt hier eine neue Missionierung, konnte man sich fragen? Wie echt sahen
alle diese Barfüßermönche aus, von denen einer, auf dem Marsch durch die
Werderstraße, die Flasche kaum vom Mund absetzte.

Ein alter Theaterhase neben mir konnte sich nicht beruhigen, von Gruppe zu
Gruppe zu fragen: „Wo haben die alle nur ihre echten und noblen Kostüme
her?" Sowas gab es zu seiner Zeit kaum im Fundus eines Hoftheaters. Der Aufwand
an Gewändern steigerte sich noch mit dem Auftreten von „Müllheimer
Herren als Turnierreiter", mit den „Ahnherren der Markgräfler" und der
Gruppe der Biedermeier, vornehmlich von Mitgliedern des Gesangvereins gestellt
. Dazwischen immer wieder Musikkapellen, einfach „knorke", um den Ausruf
eines Zuschauers zu verwenden, der auch nicht aus der Müllemer „Türkei"
stammte.

Solange wir auch bisher von einem Bein aufs andere die Anstrengung langen
Stehens vertraten, waren es erst die Bauernkriege, die herannahten. Eindrucksvoll
zog, mit Doppelschlag auf dumpfen Trommeln angezeigt, die Pest. Diesen
Tod hätte Rethel entworfen haben können.

45 Nummern .enthielt das Programm dieses Festzuges, Nummern, eine so
gut wie die andere. In der Gruppe „Franzosenzeit" war's der Conde, an dessen
Seite die stolze Müllheimer Küferstochter. Sie entlockte einem Buben von sechs
Jahren den begeisterten Ausruf: „Schönes Fräulein!" Besonderes Lob den Revoluzzern
mit den Heckerhüten. Ohne sie kein erster Weinmarkt in Müllheim
vom Jahre 1872, dem ein eigener Wagen gewidmet war. Die verehrende Note
guter Nachbarn kam in den Wagen der Auggener, Schweighöfler und Schlienge-
ner zum Ausdruck. Der Schliengener Wagen in Gestalt eines üppigen Blumengepränges
bot mit dem Wappenzeichen des Hufeisens der Stadt Müllheim das

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