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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
23.1961, Heft 1, Müllheim Baden.1961
Seite: 263
(PDF, 52 MB)
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die vor uns „drin" waren, pünktlich das Bad räumten. Wir begannen schon
draußen mit den Vorbereitungen für den Sprung ins Wasser. Die Schuhe wurden
ausgezogen und mit den Nesteln zusammengebunden, die Socken drein gestopft
. Und wenn dann die Badfrau die Flügeltüre aufklappte und das erlösende
Wort sprach: „So, jetz chönnen er iine", stürmte das wilde Heer wie eine
Sturzwelle durch den Eingang. Wir besaßen fast alle „Jahreskarten", da gab's
keine Rechnerei oder Knipserei an der Kasse - und die Badfrau kannte ihre
Pappenheimer. Im „Handumdraihe" waren die Kabinen und die langen Bänke
an den Seiten, mit den Kleiderhaken darüber, besetzt - und schon plumpsten
die ersten ins Wasser.

Eine Liegewiese, wie sie heute auch das Müllheimer Bad hat, gab es für
uns noch nicht. Wir lagen auf dem glitschigen „Schwartenmagen"-Boden und
auf den Laufstegen wie die Heringe. Und immer der Sonne nach. Wer an
der Schattengrenze lag, mußte immerzu wandern und sich ein Plätzchen in
der Sonne erstreiten. Groschenromane kannten wir nicht; aber mit viel Geduld
brannten wir mit Brenngläsern unsere Namen in die hölzernen Laufstege
. Manchmal ging auch ein Strahl daneben und traf irgendeinen empfindlichen
Körperteil des Nachbarn. Dann gab's gewöhnlich für den Sünder
eine unwillkommene „Abkühlung", denn es wurde im Bad stets nach dem
Grundsatz gehandelt: Auge um Auge, Zahn um Zahn! Wer spritzte, wurde
wieder gespritzt, wer mit dem nassen Handtuch „schnalzte" und dem andern
eins auswischte, der bekam bald rote Flecken auf der Haut; wer brannte,
wurde gekühlt.

Manchmal gingen in dem kleinen Bassin die Wellen hoch, wenn ein paar
kräftige Bubenarme mit Hilfe des immer auf dem Wasser schwimmenden
„Brettes" den ganzen Ozean durcheinander brachten. Da schnappten die
Schwimmer, da wurden die dicht am „Strand" liegenden Trockenen naß und
übten Rache, da ging mit den Wellen auch die Stimme der Badfrau hoch,
die vergeblich den Sturm zu übertönen versuchte. - Doch sie verstand uns
Buben, und bald war alles wieder gut.

Wir alle konnten schwimmen. Einer lehrte es den anderen. Die ersten
Versuche machten wir am Brett, dann mit dem Korken oder der Büchse, die
man wie einen „Äff" auf dem Buckel trug; selten hatte der alte Kallmann,
der als Badmeister fungierte, einen an der Angel. Auch gute Springer und
Taucher hatten wir - und Seiltänzer, die ihre hohe Kunst auf dem wackligen
Drahtseil vorführten, welches das Wasser überspannte und in die Bereiche für
Schwimmer und Nichtschwimmer abteilte. Waren wir einmal ausnahmsweise
ins „Sechsi-Bad" für Männer gekommen, so bewunderten wir die Springkunst
der Großen. Was war das ein Leben im Bad, wenn die Turner kamen, der
Bernhard Willi und Hans, der Obermeier von den 142ern, der Brunn Rudi!

Nicht nur zu Beginn, auch gegen Schluß unserer Badzeit nutzten wir jede
Minute aus. Wenn zum erstenmal - zehn Minuten vor vier Uhr - die Stimme
der Badfrau erscholl: „Aaaazieh!", dann konnte sie sicher sein, daß im nächsten
Augenblick nochmals alles im Wasser versammelt war. „Numme no eimol
derdur schwimme, Frau Zipsi", „Numme no ne chlei Ringli, Frau Zipsi, derno
will i brav si", „Numme no ei Chopfsprung, derno gang i use", so klang
es ihr in vielstimmigem Chor entgegen. Sie hatte es ja schwer mit uns
Buben, und ohne Strenge wäre sie nie durchgekommen; aber wir wußten auch,
daß sie die Güte selbst war und einen jeden von uns gern hatte.

Nur einmal brach ein orkanartiger Sturm los. Als eines Tages der Uhrzeiger
auch wieder bald auf „Vieri" zeigte, gab es plötzlich einen mächtigen Plumps
ins Wasser. Das war kein Kopfsprung, kein „Hecht" und kein Salto. Etwas

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