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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1962-02/0031
1774 stieg der junge Hebel an der Kalten Herberge mit seinem Vormund in
den Wagen des Pforzheimer Boten nach Karlsruhe ein, und später auf seinen Reisen
ins geliebte Oberland und wieder zurück in die Residenz war ihm dieser Ort stets
eine willkommene Raststätte. In seinen Hertinger Jahren hat ihn sein Weg sicher
oft dahin geführt, wo man Post empfangen und aufgeben und Unterhaltung mit
Reisenden und Gästen führen konnte. Die zur Zeit des Dichters so bedeutungsvolle
Reise- und Poststation war für Hebel ein äußerst klangvoller Name. Das geht
schon aus den Briefanschriften „Lörrach bei Kaltenherberg", „Schopfheim bei
Kaltenherberg" hervor.

In einigen Briefen an seinen Freund Zenoides, den Pfarrer Hitzig in Rötteln,
erwähnt der Dichter die Kalte Herberge. Im Brief vom 2. August 1800 bemerkt
er u. a.: „Ich würde wegen der Landcharten, die du freundschaftl. für mich besorgtest
, ganz ruhig seyn, wenn du mir nicht vor geraumer Zeit geschrieben hättest
, daß du sie auf die Post gegeben habest. Noch heute habe ich sie nicht erhalten
. Freilich geht auch der Postwagen wie ich höre noch nicht weit genug
hinauf. Vielleicht liegen sie also noch auf der K[alten] Herberg, oder bereits
wieder bei dir . . . ."

In einem Schreiben vom September 1802 lesen wir: „ . . . Ich gedenke daher
von Hügelh. aus den Mastelnack (= Mantelsack) seine eigenen Wege gehen zu
lassen und den KR. (Kirchenrat) Sander zu bitten, daß er ihn in K[alten] Herberg
im Vorbeyfahren in den Postchaisenkorb werfen solle, ..." Und am 26./27. Februar
1806 leitet er einen Brief mit den Worten ein: „Nicht über Thumringen,
auch nicht durch, aber an K[alten] H[erberg] vorbey fährt Kusterer und wird
also dort dein iunges Lustwäldemlein absetzen".

Leben und Treiben in der Kalten Herberge hat uns Hermann Albrecht in
seiner Rebländer Dorfgeschichte „Die Häfnetjungfer" lebendig geschildert: „Wir
treten in das Haus zur Zeit seines vollen Glanzes. Es ist ein großes, stattliches
Gebäu, das seine Front der Straße zu gen Abend kehrt, es hat mehr Lärm, Verkehr
und Umsatz, als heutzutag der Bahnhof mancher kleinen Stadt. Im Poststall
stehen sechzig bis siebzig Pferde, der Vorplatz vor dem Haus ist mit Fuhrwerk
aller Art verstellt vom schweren Postwagen an und dem blauen Frachtwagen bis
zum Bennenwägelein (= Korbwagen) und dem einrädrigen Karren des Wäldlers.
Weithin dehnen sich der Posthof und die Scheuern und Stallungen.

Man sieht's dem Haus an, es wohnt, und zwar nicht erst seit heute und gestern,
alter, festgegründeter Wohlstand darin. Im Innern des Hauses ist ein Gewirr von
Gängen, Stiegen, Galerien, Altanen, Sälen, Gastzimmern, Verbindungs- und Kellertreppen
. . . Für gewöhnlich ist der Mittelpunkt des Hauses die große Wirtsstube
unten in der Südwestecke. Dort schaltet in der vergitterten Einschenke die
Frau Posthalterin, ... ab und zu auch einmal der Herr Posthalter . . . Sein weitgedehntes
, schier dreihundert Morgen großes Gut, seine Reben im Bellinger, Bam-
lacher, Blansinger und Tannenkircher Bann, sein Amt als Tannenkircher Gerichtsmann
und Stabhalter und die Holzschläge in verschiedenen Waldungen, sowie
die Unterhaltung mit den verschiedenartigsten Gästen, vom durchreisenden Frankfurter
, Nürnberger und Basler Handelsherrn bis zum Fuhrmann herunter, nehmen
seine Kraft und Zeit völlig in Anspruch".

In Zusammenhang mit den kriegerischen Ereignissen des ausgehenden 18. Jahrhunderts
wird die Kalte Herberge immer wieder erwähnt. Zur Zeit der französischen
Revolution betrieben Agenten hier umstürzlerische Propaganda. Das Gasthaus
wurde zum Ausgangspunkt für die Verbreitung von Nachrichten über die
Vorgänge in Frankreich. Am 17. September 1793 kamen nach einem nächtlichen
Vorstoß der Franzosen von Hüningen und Neuenburg aus nachmittags Wagen mit
Hausrat und Flüchtlingen aus den Rheindörfern zur Kalten Herberge, um nach

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