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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1962-02/0043
nannte sie früher Pasquillen — vertrieben. Nun ziehen gewöhnlich nur noch Kinder
durch die Orte, soweit nicht Umzüge, und zum Teil in neuester Zeit auch auf
den Dörfern „Kappenabende" der einzelnen Vereine aufgezogen werden. In
Neuenburg wurde noch vor wenig Jahrzehnten die „alte Fasnecht", eine Strohpuppe
, im Altrhein ertränkt, heute wird sie unter großer Beteiligung verbrannt.

Der schönste Brauch, der noch fast überall im alemannischen Raum ausgeübt
wird, ist das Fasnachtsfeuer mit dem Scheibenschlagen. Die Feuerstelle
ist stets dieselbe, vielleicht schon aus heidnischen Zeiten her, als die Kelten
den Göttern opferten und zur Wintersonnenwende diese um Segen baten für das
neu erwartete Leben in der Natur. Wenn einst in der Kinderzeit der Tag der
hl. drei Könige vorbei war, und nur noch der Dolder des Weihnachtsbaumes mit
den übrig gebliebenen Lichtstümpfchen an der Stubendecke aufgehängt war, wie
einst der Wintermaien zu Weihnachten, waren unsere Blicke auf die Lichtlein
gerichtet, die eins um das andere flackernd verlöschten. Bald kamen die neuen
freudigen Ereignisse des Wellensammelns und des Fasnachtsfeuers immer näher.
Schon Wochen vorher haben von jeher die 7.-Klässler-Buben Wellen, Holz und
Geld zu sammeln. Die Mädchen haben gewöhnlich nachmittags zweimal wöchentlich
Nähschule, und ist sie aus, so wartet der „Straubaschi" schon darauf, sie heim
zu treiben. Er wird gewählt und hat das Recht auf dem Wellenwagen gefahren
zu werden, den die Buben beim Wellensammeln von Hand von Haus zu Haus
ziehen. Sein eigener Name darf nicht verraten werden. „Straubaschi" bedeutet
„Sebastian im Stroh", denn: an Sebastian, dem 20. Januar, fangen die Bäume zu
saften an! Es geht dem Frühjahr entgegen. Eine alte Fuhrmannsbluse hat er auf
die Hosen festgebunden und beide sind mit Stroh so fest ausgestopft, daß er wie
ein rundes Fäßchen aussieht. Uber den Kopf zieht er eine schwarze Zipfelmütze,
das „Chienrueßgüggli", vor dem Gesicht hat er einen schwarzen Strumpf und in
der Hand einen kräftigen langen Stecken, an welchem er die größte getrocknete und
aufgeblasene Schweineblase festgebunden hat, wie es noch in manchen Orten üblich
ist. Diese dient zum Patschen an die Haustüren und zum Behaupten seines Rechts,
alle nicht beteiligten Kinder in die Flucht zu schlagen. Noch in meiner Jugend
hat sie ein alter Knecht mit Schweineblut gefüllt, um andere damit zu spritzen.
Ob dieses noch davon herkommt, daß einst das Bespritzwerden mit dem Blut
der Opfertiere vor Bösem schützen sollte? Im Prätigau wurde dieser Brauch auch
ausgeübt und im Hanauerland füllte man sie mit Jauche. Das wurde dadurch abgemildert
, daß man mit Wasser gefüllten Spritzen an dem am Montag nach Fas-
nacht üblichen „Schurti" das vom Schuren, dem Fließen des Wassers herkommt,
noch vor wenig Jahren spritzte.

Beim Patschen auf den Boden oder an die Haustüren heischt der Straubaschi:
Wälle oder Gäld! Beides bekommt er in guten Zeiten reichlich, so daß er sich
und seinen Kameraden an der der Herrenfasnacht folgenden „Buurefasnecht"
wohl Küchlein backen lassen kann. Aber zuvor kommt der Fuhrlohn vom Geld,
wenn nicht etwa ein Bauer den hohen Wellenwagen unentgeltlich auf die Höhe
führt. Ein Tannenbäumlein, „Hexe" genannt, mit bunten Bändern steht vornen
auf der hohen Fuhre und kommt auch oben auf den Wellenhaufen, der oben auf
der Eckt aufgebaut wird. Oft müssen die Wellenhaufen bewacht werden, damit sie
von den Dorfnachbarn nicht vorher angezündet werden, denn jedes Dorf will
das größte Feuer haben.

Die „Bauernfasnacht" (Fasnacht der Reformierten), auch alte Fasnacht genannt
, weil Fasnacht früher erst an diesem Tage abschloß, wird im alemannischen
Raum oft auch Funkensonntag genannt. Sie fällt auf den Sonntag acht Tage nach
der „Herrenfasnacht" (Fasnacht der katholischen Geistlichkeit). Schon lange vor
dem Scheibenschlagen werden die viereckigen Scheiben geschnitzt, auf dem Ofen
getrocknet und die Scheibenstecken stehen bereit. An einem Draht werden die

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