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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1963-01/0022
dieser Schule großen Nutzen brachte, die Zeit war eine größtenteils verlorene für
mich. Ebenso ließ mich auch der Confirmandenunterricht, den ich vom Herrn Decan
Reich erhielt, kalt und unerwärmt.

Da mein Vater inzwischen als I. Hauptlehrer nach Weisweil versetzt und der
Nachfolger seines Schwiegervaters Autenrieth geworden war, so kam ich nun ebenfalls
nach Weisweil. Vom Spät jähr 1839/40 war ich in einer höheren Bürgerschule
im benachbarten Schlettstadt zur Erlernung der französischen Sprache. Dieser
Schule verdanke ich viel, da habe ich nicht allein tüchtig französisch gelernt,
sondern auch einen guten Grund gelegt im Rechnen, deutscher Sprache und andern
ellement. Fächern, namentlich viel verdanke ich dem Direktor Bersche, bei welchem
ich wohnte, und dem Klassenlehrer Haiwachs, einem tüchtigen Schulmeister. Hier
war lernen meine Lust. Es herrschte an dieser Anstalt die Sitte, am Schluß des
Schuljahres den Schülern in allen Lehrgegenständen Preisaufgaben zu geben, da
hatte ich das Glück, in fünf Lehrgegenständen Preise zu erringen, und war ein sogenannter
Schwabe auf einer Schule im Elsaß.

An Ostern 1841 ging ich zur Aufnahmeprüfung nach Karlsruhe ins ev. Lehrerseminar
, konnte aber nicht aufgenommen werden, da ich vom Arzt wegen Körperschwäche
zurückgewiesen wurde. Dies wirkte so niederschlagend auf mich, daß ich
alle Lust zum Leben verlor, ich lief in einem Tage von Karlsruhe bis Offenburg2)
zu Fuß, und führte den frevelhaften Entschluß aus, mir durch einen kalten Trunk
Wasser an einem Brunnen an der Straße im erhitzten Zustand eine tödliche
Krankheit zuzuziehen. Doch Gott ließ mich nicht zum Selbstmörder werden.

Ostern 1842 machte ich die Aufnahmeprüfung zum zweiten Mal mit, und diesmal
mit besserem Erfolg. Ich wurde aufgenommen. Jetzt, gerade nach 46 Jahren,
ist mir die Stunde noch ganz gegenwärtig, wo wir alle im Seminarhof auf das
Ergebnis der Prüfung warteten, die Stunde am jüngsten Gericht kann nicht schwerer
sein, als mir diese vorkam. Und welche Freude, welche Seligkeit, als ich mich unter
der Schar derer befand, welche aufgenommen wurden! Von 90 waren es 38.

Hier verlebte ich nun zwei Jahre bei dem damals in der besten Manneskraft
wirkenden Director Stern in unausgesetzter, regster Thätigkeit, von früh V2 5 Uhr
bis abends 9 Uhr wurde gearbeitet an der Erreichung der beruflichen Ausbildung,
denn in der kurzen Zeit von zwei Jahren mußten wir uns vieles aneignen, um
einigermaßen mit Ehren an einer Schule wirken zu können, da galt es, keine Zeit
zu verlieren, vielmehr mußte dieselbe ausgekauft und redlich benutzt werden. Da
arbeitete ich aber auch so, daß ich oft wochenlang nicht vor die Mauern des Seminars
hinaus kam, von der Stadt lernte ich daher auch gar nichts kennen, auch habe ich
während der ganzen zwei Jahre meines Aufenthalts in Karlsruhe nicht ein einziges
Mahl ein Wirtshaus oder ein Bierhaus betreten. Da meine Eltern gleichzeitig mit
mir noch zwei Kinder draußen hatten, die Geld kosteten, so fiel mein Sackgeld auch
nicht sehr reichlich aus, so daß es bloß für Schreibmaterialien, Bücher und Wäsche
ausreichte, zum Gütlichthun blieb nichts mehr übrig.

Manche Unterrichtsgegenstände, Bibelerklärung, Naturlehre, Geometrie, deutsche
Sprache, Naturgeschichte und andere mußten wir nach der Unterrichtsstunde
nachschreiben; auf die Ausarbeitung dieser Gegenstände verwendete ich vielen
Fleiß und viele Sorgfalt, diese Hefte sind aber auch jetzt noch nach 40 Jahren
mein Stolz und meine Freude und haben mir vielfach beim Unterrichten gedient.
Gerade dieses Nachschreiben war es, was uns den Unterricht so fruchtbringend
machte, und weswegen man sich damals in nur zwei Jahren verhältnismäßig doch
viel aneignete. Das Gedächtniß hielt die Sachen für lange Zeit fest; wenn ich jetzt
noch in der Bibel lese, so weiß ich noch bei manchem Verse wörtlich, was Stern
dazu erklärte.

2) Randnotiz: 72 km!

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