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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1964-02/0055
Und nun die Kompetenzen der Pfarrer einer Gemeinde mit 120 Seelen. Unter
Kompetenzen ist die jährliche Entlohnung einschließlich Geld gemeint. Der nachstehend
angeführte Satz war gegenüber früher und später etwas verschieden, im
Grunde aber kam er nicht über einen Anschlag von 400 Gulden hinaus. Ich
nehme hier die Kompetenzen des Jahres 1730. „25 fl Geld, 36 Malter Dinkel,
6 Malter Roggen, 6 Malter Gerste, 12 Malter Hafer, 16 Saum Wein, ein Drittel
kleiner Zehnten, etliche magere Krautgärtlein beim Pfarrhaus, Obstzehnten in
Welmlingen, Hanf- und Heuzehnten gleichfalls in Welmlingen. Holz muß der
Pfarrer mit großer Beschwerde sich selbst beschaffen." — Das Geld und den
Weinzehnt bekam der Pfarrer vom Kloster in St. Blasien, in dessen Keller der
Zehnte von Blansingen und Kleinkems geführt wurde. Den restlichen Teil der
Kompetenzen erhielt der Pfarrer von Kleinkems bzw. Welmlingen.

Auf den ersten Anblick mögen dem Leser die 16 Saum Wein reichlich viel
erscheinen. Rechnen wir 45 Liter für den Saum, dann sind das jährlich beinahe
2 Liter im Tag. Aber man lebte damals noch in einer ganz anderen Zeit. Zunächst
gab es viel und billigen Wein. Zum andern erhielt jeder, der ins Pfarrhaus kam,
einen Schoppen Wein kredenzt. Und schließlich — und das war die Hauptsache —
konnte der Pfarrer seine Landwirtschaft, und wenn sie noch so klein war, nicht
allein meistern. Dazu brauchte er Taglöhner. Und eine Magd im Haushalt hatte
er auch. Man war damals froh und dankbar für ein Stück Brot und einen Schluck
Wein. Von Wurst und anderen guten Dingen wußte man in jener Zeit noch
nichts. In dem entzückenden Tagebuch einer jungen Pfarrfrau in Kleinkems aus
den Jahren 1840—1851 wird uns anschaulich geschildert, wie notwendig der Wein
im Pfarrhaus war. So zum Beispiel, wenn sie von einem jungen Mann mit Namen
Konrad Hügin erzählt: „Er kam oft des Abends und unterhielt sich mit uns und
den Kindern. Er bekam gewöhnlich einen Schoppen Wein. Man konnte ihn zu
allen Besorgungen gebrauchen. Er war treu, freundlich und gewissenhaft. Wir
hatten ihn alle sehr gern." Weiter vom Herbst: „Die Mägde und Taglöhner
bekamen Käs, Brot und Wein. Abends wurde dann ein gutes, warmes Nachtessen
gemacht." Zum Schluß aus dem Tagebuch noch etwas recht Ulkiges: „Am
Neujahrsabend 1846 hatte mein Mann den Bürgermeister und die Gemeinderäte
eingeladen. Wir machten einen Punsch. Die Gemeinderäte wollten ihn nicht
trinken. Sie sagten zueinander: Das han i no nie trunke! Wir gaben ihnen dann
guten Wein."

Wenden wir uns jetzt den andern Bestandteilen der Kompetenzen zu: Um es
vorwegzunehmen: Es war ein Jammer! Wie sollte der Pfarrer zu seinen verschiedenen
Zehnten kommen, wenn die Gemeinde durch die Bank aus armen
Fischern bestand? Kriege, Einquartierung, Flucht, Mißernten, Krankheit, Seuchen
— wer konnte d a noch Zehnten abliefern? Oder wenn der Rhein mit seinem
Hochwasser von einer Stunde zur andern wegspülte, was fleißige Hände monate-
und jahrelang gepflanzt hatten?

Da konnte man weder mit List noch mit Gewalt etwas ausrichten. Wo eben
nichts ist, hat selbst der Kaiser sein Recht verloren. Da blieb nur e i n Ausweg
übrig: entweder das Kloster St. Blasien oder den Markgrafen und seine Beamten
um Hilfe anrufen. Wie es dem Pfarrer von Kleinkems jedoch dabei ergehen
konnte, das mußte Pfarrer Joh. Molitor erfahren. Er schrieb am 24. Juli 1617 an
„den edlen und gestrengen Herrn Christoph Daniel von Anwyl, auch ehrenwerten
und hochgelehrten Herrn Dr. Christoph Leibfried, markgräflicher Landvogt und
Landschreiber" einen beweglichen Klagebrief. Der Herr von Anwyl als Vertreter
des Markgrafen muß diesen Brief an den Vertreter des Abts von Sankt
Blasien, den Propst von Bürgeln, geschickt haben. Nur auf diesem Wege ist die
Annahme berechtigt, daß auf die beweglichen Bitten des armen Pfarrers von
Kleinkems Antworten kamen, die geradezu klassisch genannt werden können.

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