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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1965-02/0044
In der Gewalt der Revolution

Aus dem Tagebuch des Pfarrers Ludwig von Rötteln
Von Dr. A. Baumhauer f, Lörrach

Mögen uns die Revolutionsjahre 1848 und 1849, da auch in unserm badischen
Oberland alles außer Rand und Band zu gehen drohte, da die in Jahrhunderten
gefestigte Ordnung zusammenbrach, heute eher tragikomisch anmuten, so bitterernst
und verhängnisvoll wurden sie für die treuen Hüter der alten Ordnung,
in häufigen Fällen für die Pfarrherren in den ländlichen Gebieten.

Im Struve-Putsch vom September 1848 war das ganze vordere Wiesental,
dessen Dörfer unter der Parole „Wohlstand, Bildung und Freiheit für alle" zum
Aufstand aufgerufen wurden, der Ausgangspunkt der Revolution und blieb auch
bei der viel gefährlicheren Erhebung 1849 bis zur Besetzung durch die preußischen
Truppen von allen badischen Landesteilen am längsten der Amtsanmaßung
sogenannter revolutionärer Behörden ausgeliefert. Die folgenden Aufzeichnungen
des damaligen Pfarrers Ludwig von Rötteln, der später noch lange Jahre als
Pfarrer in Nußbaum tätig war, geben uns ein treffendes Bild von den ungeordneten
und rechtlosen Zuständen des Jahres 1849, von den Gefahren und Drangsalen
, denen aufrechte Männer ausgesetzt wurden, die ihre Uberzeugung entsprechend
ihrem Gewissen vertraten. — So hören wir denn den Pfarrer von
Rötteln mit seinen eigenen Worten:

„Der letzte Junisonntag des Jahres 1849 war ein schöner Sommertag, und
wunderbar lieblich bestrahlte die Sonne das schöne Wiesental. Es wurde an diesem
Tage in den evangelischen Gemeinden das Reformationsfest gefeiert zur Erinnerung
an die Übergabe der Augsburger Konfession am 25. Juni 1530.

Nach dem Gottesdienst erging ich mich ein wenig im Garten, als ich plötzlich
in den Pfarrhof gerufen wurde. Da trat ein Unteroffizier in Begleitung eines
Lörracher Bürgers auf mich zu und erklärte mir, daß er den Auftrag habe, mich
zu verhaften. Auch ein junger Mann aus Kandern, der die Gottesdienste besucht
hatte und mein Gast war, wurde mit verhaftet; wir wurden beide dann hinabgeführt
an die Wiesenbrücke bei Tumringen. Dort hatte sich eine Freischarenabteilung
mit Musik und unter der Führung des polnischen Obersten Raquillet
aufgestellt, von einem großen Haufen Neugieriger umgeben.

Es hatte sich nämlich damals in der Umgegend von Kandern und Lörrach eine
Art Gegenrevolution gebildet. Da wurden dann von den Revolutionsbehörden verschiedene
Freischarenhaufen abgesandt, um die Widerspenstigen zu bändigen oder
gefangen zu nehmen. So hatte schon am Morgen jenes Sonntags ein Zusammenstoß
von Freischaren und Volkswehren bei Riedlingen stattgefunden, in welchem der
Freischarenführer Schmidt, ein früherer Kunsthändler aus Wiechs, getötet wurde;
eine andere Abteilung unter Anführung des polnischen Obersten Raquillet war nach
Binzen abgesandt worden, wo sich eine Anzahl Bürger und Bürgermeister von der
Ordnungspartei versammelt hatten, um über geeignete Maßregeln gegen die
Revolution zu beraten. Diese wurden nun größtenteils gefangengenommen und,
etwa 30 an der Zahl, nach Kandern abgeführt. Auf dem Wege dahin machten sie
an der genannten Wiesenbrücke Halt.

Als ich nun auch diesen Gefangenen zugeführt wurde, empfing mich der
Polake zornglühend mit den Worten: „Du Hund, was brauchst du einen Stock?"
Damit riß er mir denselben aus der Hand und warf ihn über den Graben in

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