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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
31.1969, Heft 2/3.1969
Seite: 92
(PDF, 16 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1969-02-03/0030
Umgebung kein Gutedel angebaut, sondern als Weißwein Chardonnay, als Rotwein
Gamay. Im Ort sind noch Reste eines Schlosses vorhanden. Besitz vom
Kloster Cluny ist bereits im Jahre 1007 nachweisbar.

Die Geschichte, wie der Ort für die Namensgebung der Traube gewählt wurde,
berichte ich nach verschiedenen Quellen mit Ergänzungen von Bürgermeister Robert
Leon. Die Gegend war verkehrsmäßig etwas abgelegen, und so kam es um
1700 zu einer Absatzkrise. Ein unternehmender Weinhändler aus der Gegend
von Mäcon, Claude Brosse, entschloß sich zu einem für die damalige Zeit ungewöhnlichen
Unternehmen und fuhr mit einer Wagenladung von Weinfässern nach
Versailles. Er kam dort, ohne von Wegelagerern überfallen worden zu sein,
glücklich an und meldete sich an der königlichen Pforte. Da wurde er aber barsch
abgewiesen. Als er an der Schloßkapelle vorbeikam, ging er als frommer Mann
hinein. Dort war gerade Messe, der Ludwig XIV. anwohnte. Bei der Wandlung
sah der König zu seinem Erstaunen einen unbekannten Mann, der scheinbar stehen
blieb. Das war der Weinhändler. Er wurde nachher zum König gerufen, der
dann seinen Irrtum bemerkte. War doch Claude Brosse über zwei Meter groß
und überragte auch beim Knien seine Nebenmänner um Haupteslänge. Nun benützte
er die günstige Gelegenheit, und pries seinen Wein an. Der König versuchte
ihn, fand Gefallen an ihm und führte ihn an seinem Hof ein. Der Händler
übergab dem König noch Rebholz mit dem Bemerken, das sei von Chasselas.
Die Reben wurden im Schloßgarten von Fontainebleau angebaut und ergaben eine
beliebte Eßtraube, eben unseren Gutedel.

In einem mir kürzlich zugegangenen Vorabdruck eines „Dictionnaire des
communes de Saone-et-Loire" wird die Erzählung als legendär bezeichnet. In der
schweizerischen Ampelographie (Lob der Schweizer Reben) steht, daß u. a. auch
Südfrankreich als Wiege des Gutedels angesehen werde, namentlich die Gegend
von Cahors. Dorther sollen Franz I. und Heinrich IV. die Triebe mitgebracht
haben, mit denen die jetzt noch bestehende berühmte königliche Weinlaube von
Fontainebleau angepflanzt wurde!

Es besteht also keine Klarheit, wie Chasselas namengebend wurde. Da am
Genfer See ebenfalls, wie im Markgräflerland, der Gutedelanbau vorherrscht,
so erhebt sich die Frage, wo er zuerst angebaut wurde. Der Bürgermeister von
Chasselas teilte mit, daß der Gutedel vor der Anpflanzung in Fontainebleau
Mornan geheißen habe. Ein Forscher am Genfer See, Dr. Jacques Dubois aus
Vevey, berichtete mir, daß nach seinen Forschungen der Gutedel zunächst am
Genfer See angepflanzt wurde und dann von dort nach Burgund kam, wo er
zuerst in Chasselas angebaut wurde. Bei dem Mornan liege eine Verwechslung
vor; es handle sich um eine andere Art. Alte Rebsorten und alte Weinnamen
sind vielfach kaum zu identifizieren. Für die Verbreitung der Reben haben am
Genfer See und in Burgund die Klöster, darunter Cluny und Citeau sowie das
Bistum Lausanne viel beigetragen.

Der Verdienst des Markgrafen Karl Friedrich war es, eine einheitliche Rebsorte
und einen geschlossenen Rebsatz eingeführt zu haben. Dazu kam eine für
die damalige Zeit vorbildliche Kellerwirtschaft. Daher ist es kein Wunder, daß
der „Markgräfler", wie der Gutedelwein hierzulande genannt wird, der erste
badische Wein war, der schon vor rund hundert Jahren über die Grenzen Badens
hinaus Achtung und Anerkennung fand. Die Beliebtheit des Markgräflers geht
auch daraus hervor, daß er im letzten Jahrhundert sein Anbaugebiet nach Norden
in den vorderösterreichischen Breisgau hinein bis nach Freiburg ausdehnen konnte.
So kommt es, daß nach dem zweiten Weltkrieg in der auf seine österreichische
Tradition stolzen Stadt Staufen „im Breisgau" zweimal ein Markgräfler Weinfest
stattfand. Und darum heißt das Gebiet, das beim Historiker als südlicher
Breisgau bezeichnet wird, bei den Winzern „Untere Markgrafschaft". Das hat
nichts mit einer Mißachtung Österreichs zu tun, wie ein Historiker vor etlichen
Jahren in einer wissenschaftlichen Diskussion in Freiburg meinte. Als Parallele
sei angeführt, daß der heute amtlich für den Anbau des Burgunderweines fest-

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