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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
37.1975, Heft 3/4.1975
Seite: 331
(PDF, 36 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1975-03-04/0189
Bücher- und Zeitschrifcenschau

Willi Ferdinand Fischer: Und immer dahinter der Blauen. Gedichte um Badenweiler.
Verlag und Druck: August Schmidt, Müllheim (Baden).

Seit einem Badenweiler-Aufenthalt im Februar 1973 war Willi Ferdinand Fischer von
dieser zauberhaften Stadt am Fuße des Blauens so fasziniert, daß er sie immer wieder
aufgesucht hat. So entstanden in den letzten eineinhalb Jahren die „Gedichte um Badenweiler
", in denen das 190C Jahre alte Römerbad Aquae villae besungen wird.

Zumeist in freien Rhythmen ersteht vor uns die Stadt mit dem Schloß der Markgrafen
von Baden, dem Schloßpark und Römerbad sowie der alten Kapelle. Dann erleben wir
mit, wie Fischer von der Landschaft im Wandel der Jahreszeiten ergriffen wird und spüren
besonders in den Wintergedichten den Hauch der Vergänglichkeit. Dieses Vergänglichkeitsgefühl
weht uns auch an am Grabe Rene Schickeies, des elsässischen Dichters, von
dessen Sprache Thomas Mann einmal gesagt hat, sie sei wie ein Hochzeitscarmen zwischen
Deutschland und Frankreich. Neben Rene Schickele beschwört Fischer dann auch Nehru,
den Maler Emil Bizer, Annette Kolb, Anton Tschechow, den großen realistischen Dichter
Rußlands, der 1904 hier Heilung von der Lungentuberkulose suchte und diese nicht fand.

Doch nicht nur sie sieht er, deren Schatten unsterblich sind, sondern auch die anonymen
Kurgäste mit ihren „Gesichtern der Erholung", „mit dem Lächeln des Sonntags oder vom
Kummer zerrillt", wie es in dem Gedicht „Bedienung" heißt. Und hinter jedem Gedicht
sucht er eine Lebensgeschichte, die bis hierher reicht, doch immer wieder wird dieses
Suchen unterbrochen von den Bestellungen der Gäste: Ein Mokka, ein Schwarztee mit
Milch, eine Schwarzwälderkirsch, ein Käsekuchen". Gerade in diesem Kontrast zwischen
menschlichen Schicksalen und dem alltäglichen Geschwätz mit der Bedienung, zwischen
einem gerade noch überstandenen schweren Autounfall und zwei Tassen Kaffee Hag oder
einer Schwarzwälder Schnitte zeigt sich wohl am besten, wie Willi Ferdinand Fischer
scheinbar banale Anlässe zum Vorwurf für ergreifende Darstellung der Wirklichkeit
nimmt. Besonders bei diesem Gedicht muß ich an ein Wort Rudolf Nikolaus Maiers
denken, der einmal gesagt hat: „Dichtung ist Verwandlung des Realen ins Geistige, des
Zufälligen ins Gültige, des Augenblicklichen ins Dauernde".

Der in diesem Gedicht noch ausgedrückte Wunsch, für kurze Zeit das Rinnen der Zeit
zu vergessen und den Alltag zu genießen, weicht dann „In der Kirche St. Peter" der
bohrenden Frage des Enkels, ob das der Christus sei, und wie denn ein mächtiger Gott
am Kreuze hängen könne. Doch das schützende Oval des Raumes mit dem blauschimmernden
Mosaik wehrt hier noch dem Zweifel den Zutritt. Aber in einem Wintergedicht
sieht Fischer dann einen Soldaten in Rußland sterben, mit offenen Augen, in denen kein
Himmel sich spiegelt, und der geliebte Blauen, der mythische Berg, wird zu einem „Ungeheuer
der Trostlosigkeit". Am Ehrenfriedhof fragt er nach dem Sinn dieses Sterbens und
wo Gott sei, „das Licht im Abgrund der Sinnlosigkeit".

Daneben interessiert Fischer aber auch, daß noch am 29. Juli in Badenweiler die
Amseln singen, während sie im Wiesental seit Jahren spätestens am 18. verstummten. Und
auch im Gedicht „Flötenspiele des Jenseits" zeigt sich, wieviel ihm der Gesang dieses
Vogels bedeutet, der schon im März den Sommer verspricht.

Aus diesen Beispielen wird schon ersichtlich, daß in dem Zyklus „Gedichte um Badenweiler
" viele Dinge in Sprache umgesetzt wurden, und alle sind wohl im Sinne Stifters
„gleich-gültig", d. h. von gleicher Gültigkeit für den Schauenden. Sei es eine Bedienung
oder der Lipburger Friedhof, das betörende Singen einer Amsels oder das tragische
Schicksal Rene Schickeies, immer sind dies für Willi Ferdinand Fischer nur Anlässe, dem
Geheimnis und der Vieldeutigkeit des Lebens nachzusinnen. Daß dies zugleich mit
großem Einfühlungsvermögen und einem feinen Sinn für Form und Rhythmus geschieht,
erhöht den Reiz dieser „Gedichte um Badenweiler".

Das 35 Gedichte umfassende Bändchen kann nicht nur jedem Freund Badenweilers,
sondern jedem Liebhaber guter Lyrik wärmstens empfohlen werden. Es ist bei allen
Badenweiler Buchhandlungen sowie bei Maurath und Rohrmus in Lörrach erhältlich,
und kann außerdem über den Verlag August Schmidt, Müllheim, bezogen werden.

E. Richter

Alban Spitz: 's riich Labe vom Johannes Thoma. Hans Thomas Leben alemannisch erzählt
. (1974) Privatdruck im Selbstverlag (7888 Rheinfelden 2-Minseln, Peter und
Paul-Str. 7). 55 Seiten, 1 Bildnis nach einem Holzschnitt des Verfassers. DM 8,50.

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