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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
39.1977, Heft 1/2.1977
Seite: 20
(PDF, 42 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1977-01-02/0022
Versuch eines revolutionären Aufstandes
im Markgräflerland 1792-1800

von Fr. Schülin

Die erste Erprobung bis 1796

Zwischen der unglückseligen, bäuerlichen Erhebung im Jahre 1525 und dem
versuchten Volksaufstand im Schatten der französischen, grauenhaft vollzogenen
Revolution (1789—1792) liegen fast 400 Jahre schicksalschwere Epochen, verheerende
Kriege, Existenzkämpfe um Leben und Land des Volkes im Grenzland
am Oberrhein, die jede Generation von neuem mit allen Kräften forderte, so daß
selbst dem absoluten Machtanspruch der regierenden Fürsten, der Markgrafen und
deren Beamten, bei der Aufhebung und dem Entzug der altüberlieferten Volksrechte
, die Mitsprache bei der Regierung im „Ausschuß und im Landgericht der
„Siebener", kein wirksamer Widerstand entgegengesetzt werden konnte. Aber
vergessen und im Bewußtsein aufgegeben waren diese außer Kraft gesetzten altdeutschen
Rechte auf Mitbestimmung und Mitverantwortung zu keiner Zeit der
„devotesten Zuneigung" der Oberländer in den markgräflichen Oberämtern Rütteln
und Badenweiler gegenüber ihren Landesherrn. Die Forderung nach Wiederherstellung
der einst bewährten Verhältnisse zwischen Volk und Fürsten lebten
im Unterbewußtsein noch lange, wie auch der „Ausschuß der Landschaft" ohne
Auftrag weiter. Sie wurden wieder laut am Ende der langen, friedlichen, fortschrittlichen
Epoche des Markgrafen Karl Friedrich (1746—1811), geschürt und
empfohlen vom Geist der Aufklärung, überfordert aber von den revolutionären
Ideen der „Göttin der Vernunft" und deren vielverheißenden Parolen „Freiheit,
Gleichheit, Brüderlichkeit", die von Paris aus mit der blutigen Guillotine ins Elsaß
vordrangen, in der Basler Landschaft ihre Anbeter fanden und mit den Revolutionstruppen
auch ins badische Oberland einrückten, wo sie die Ängste um Leben
und Gut nutzten, um Unruhe zu stiften.

Doch zur durchschlagenden Revolution, zum Umsturz der Staatsform und bestehenden
Verfassung nach dem Vorbild Frankreichs und dem Wunsche einiger
„Jakobiner", wie sie gelegentlich unverdienterweise auch im Markgräflerland genannt
') werden, fehlten ebenso die Voraussetzungen wie bei der Bauernerhebung
1525 und später 1848/49: Die Macht und Kraft einer starken Führung, die Herausforderung
einer schwachen Regierung und skorrupten Beamtenschaft, der
gebieterische Zwang zur Selbsthilfe des Volkes. Der Vorbereitung und dem Ablauf
revolutionärer Bewegungen liegen strenge Regeln zugrunde und sind nur erfolgversprechend
, wenn auch eine revolutionäre Lage gegeben ist, wie etwa in Frankreich
die totale Verarmung des Staates, die Korruption des Adels am Königshof,
die Mätressenwirtschaft mit der sittlichen Aushöhlung der Führungsschicht, dazu
die Kassandra-Rufe von Rousseau und Voltaire, welche am Ende die Geister zur
blutigen Tat, zum Sturm auf die Bastille und zum Tod des Königs, der Königin
und des Hochadels unter dem Henkerbeil gerufen und geführt haben. Das
Schreckensregiment der atheistisch-anarchistischen Jakobiner mit der Guillotine
waren dem Sinn und der Art unserer biederen Oberländer völlig zuwider. Die
lauten, aufdringlichen Gebärden und fremdartigen Parolen, die der „welsche
Wind" über den Rhein wehte, fanden mißtrauische, wenn nicht gar abweisende
Ohren. Zu sehr mahnten noch die von den Alten überlieferten Erinnerungen an
die verheerenden Franzoseneinfälle im Breisgau, im Reb- und Waldland, zur
Wachsamkeit, auch gegenüber von Versprechen bei Wohlverhalten. Wenn auch ein
paar schnell bereite Nachahmer ihre alemannischen, kurzen Kniehosen mit den
langen französischen „Culotte" der Jakobiner vertauschten, gelegentlich auch mal

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