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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
39.1977, Heft 1/2.1977
Seite: 157
(PDF, 42 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1977-01-02/0159
Person ist — eine sittliche Verpflichtung an den Menschen ergehen kann und ergeht
. Es wird dabei — so formuliert Lutz — „die Art der göttlichen Betätigung
zum Prototyp der sittlichen Handlung des Menschen, seinem eigenen Tun die
größtmögliche Vollkommenheit zu verleihen". Der Natur andererseits ist keine
Vollkommenheitstendenz immanent, sie wird vielmehr „in jedem Augenblick durch
die Wirksamkeit göttlicher Kräfte bestimmt." Hebel schaut die Ordnung der
Natur als vernünftige Ordnung. Ordnung der Natur und sittliche Vollkommenheit
des Menschen sind aber nach einem Wort des Hausfreundes „das schöne
Ebenbild Gottes." Die Seinsvollkommenheit des Menschen verwirklicht sich im
Dienste einer „kosmisch-dynamischen Ordnung", die jeden einzelnen an seinen
bestimmten Platz stellte. Die volkserzieherische Intention Hebels, auf einen
„kleinbürgerlich-bäuerlichen Leserkreis" zielend, schätzt dabei die Handarbeit
sehr hoch. Die Arbeit ist aber weder Strafe noch Askese, sondern die menschliche
Form der Einstimmung in das Tun des webenden Gottes.

Diesen relativ klaren Anschauungen gegenüber sind die „irrationalen Formen
Hebelscher Gläubigkeit" nicht so leicht zu durchschauen. Das ureigene religiöse
Erleben entzieht sich weithin einer Untersuchung nach seinen Gründen. Es ist ebenso
vorsichtig wie umfassend ausgedrückt, wenn Lutz Hebels „Grundbefindlichkeit
" vom „Glauben an die stetige Wirksamkeit göttlicher Kräfte" bestimmt sieht.
„Der Gedanke göttlicher Immanenz" — heißt es da — „erhält seinen reinsten
Ausdruck in Hebels romantisch-pantheistischer Gottesvorstellung, das Verlangen
nach persönlichen Wirkmächten äußert sich in pantheistischen, vor allem jedoch
in polytheistischen Vorstellungen und konzentriert sich im Glauben an den christlichen
Vater-Gott". Das erstere wird gestützt durch den Hinweis auf das Pro-
teusertum der Lörracher Spätzeit Hebels und auf sein Bedürfnis, „die göttlichen
Kräfte in sinnlicher Konkretheit und Anschaulichkeit zu erfassen." Von einem
deistischen Gottesbild hat Hebel in dem schon erwähnten Bekenntnisbrief an
Hitzig entschieden Abschied genommen. Das religiöse Erleben steht Hebel höher
als gedankliche Abstraktion. Er betrachtet das Christentum stets auf die Möglichkeit
hin, „die bedürftige Sinnlichkeit des Menschen durch die anschauliche Gestalt
eines menschlichen Gottes zu befriedigen". An diesem Punkt der Überlegung tritt
die Gestalt Christi ins Blickfeld; sie schließt die Lücke zwischen — so Hebel selbst
— „dem schwachen Menschenherzen und der lebhaften Sinnlichkeit" des Menschen.
Sie regt auch das „moralische Tun des Menschen" an. Wie überhaupt — auch dies
erkennt Lutz richtig — Hebel „die christliche Religion allein unter psychologischen
und moralpädagogischen Gesichtspunkten", also recht eigentlich aufklärerisch, betrachtet
. Der Glaube an den christlichen Vatergott erscheint bei Hebel als „Erbe
mütterlicher Erziehung".

Wo aber ist „die begründende Einheit" für diese verschiedenartigen Bekenntnisformen
gegeben? In einem Irrationalen, Nichtzubegründenden. Nach Lutz in der
„glücklichen Stimmung des Dichters". Die Verfasserin folgt hier weithin den Gedankengängen
F. O. Bollnows; indessen würden Mißverständnisse vermieden,
wenn statt des mehrdeutigen Begriffes „Stimmung" das Wort „Gestimmtheit"
verwendet würde. An der Sache, nämlich an der „heiteren Grundbefindlichkeit"
von Hebels Wesen, ist jedoch kaum zu zweifeln. Sie ist es, die Hebel eine Grundtugend
entwickeln läßt: Das Vertrauen — aus dem wiederum Gelassenheit, Gleichmut
, Geduld und Hoffnung entspringen. „Das Vertrauen Hebels wendet sich einer
persönlich gedachten Macht zu, es ist kindlich-naiv. Dies geschieht ohne jegliche
Willensanspannung." Das Letztere erscheint der Verfasserin — unverständlicherweise
— merkwürdig; indessen gehört es zum Begriff der Tugend, daß sie unwillentlich
, aus dem Wesen heraus geübt wird. Die aus Hebels Vertrauen zum
Sein entspringende Tugend der Geduld äußert sich vor allem in seinem zyklischen
Denken: in seiner Vorstellung von der „kreisenden Zeit"; sie ist Anpassung an
„ein organisches Geschehen, das sich nach innerer Gesetzmäßigkeit vollzieht." Die
Güte der Schöpfung garantiert gewissermaßen die „Verläßlichkeit der Welt", „alle
Widrigkeiten des Schicksals" besitzen nur vorübergehende und gleichgültige Bedeu-

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