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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
39.1977, Heft 1/2.1977
Seite: 164
(PDF, 42 MB)
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Gedanken: Geisterzwischen weit, Polytheismus, Dualismus, Primäre Welt —
Unendliche Welt, Glaube an den „Zusammenhang des Irdischen mit dem Uberirdischen
, — wie man das auch in anderen Schriften Hebels ernsthafter angerührt
und vorgetragen findet. Auch die Landschaftsdichtung ist nach Oeftering im
„Hymnus" grundgelegt: Mit dem „Hymnus" beginnt schon jene „Mythisierung der
Landschaft und der Naturkräfte", die Hebels Dichtung später rein ausprägt.

In meiner Schatzkästleinrede von 1965 (R. Feger, Hebel und der Belchen) habe
ich es unternommen, den Ort festzulegen, den der Belchen in Hebels Denken und
Dichtung einnimmt; und auch den Belchismus dieses esoterische Spielen mit
exklusiven Begriffen. Ich glaube gezeigt zu haben, daß hinter alledem nicht nur
Albernheit steckt, sondern Existentielles: Der Belchismus der Lörracher Zeit Hebels,
einer Zeit zwar nüchterner und tüchtiger pädagogischer Arbeit, aber auch
schmerzlichen Wartens, existentieller Unsicherheit, fast überalterten Burschenulks
und geheimnistuerischen Ordenswesens ist Ausdruck seiner damaligen Zwiespältigkeit
, enthält aber gleichzeitig den tiefen Sinn, sozusagen die Entelechie des ferneren
Lebens und Schaffens Hebels: Hier in der Landschaft um den Belchen erhielt
Hebel die Eindrücke, die später, in Karlsruhe, vom Heimweh nach dem Oberland
intensiviert, erst ausreifen würden zur „dichterischen Gestaltung des Erlebnisses
von Ubernatur und Natur, von Welt und Landschaft". Der Belchen wird Hebel
von nun an stets über die Schultern sehen, wenn er schreiben wird. „In die
zartgemalte, liebliche Vedute der Alemannischen Gedichte, in die frühbiedermeier-
liche Idylle des Hausfreunds, ja noch in die moralisierende nüchterne Epik der
Biblischen Geschichten" ragt so „für alle Zeit groß und majestätisch Hebels Berg
herein: der Belchen". Dem bleibt in psychologischer bzw. psychodynamischer
Hinsicht — es muß nicht gleich von „psychopathologisch" gesprochen werden —
hinzuzufügen, daß Hebel mit seinem Belchismus — im Sinne meines Vortrags
verstanden — und seinen Resultanten ein großartiges Beispiel dafür ist, wie ein
Talent seine emotionalen Spannungen aus schicksalhaft vorhandenen Antrieben
kreativ zu großen dichterischen Schöpfungen auflösen und sublimieren kann.

Einen Beitrag aus der Medizin zur Biographie Hebels brachte 1960 die Freiburger
Dissertation von Hans Berthold: „J. P. Hebels Krankheiten und Todesursache
". Die knappe Arbeit möchte auf Grund von Äußerungen Hebels, zeitgenössischer
Zeugnisse, Berichten der behandelnden Ärzte und vor allem auf Grund
des bis dahin nur teilweise veröffentlichten Sektionsbefunds des Schwetzinger
Arztes Dr. Griesseiich eine Pathographie Hebels geben, indem sie die vorkommenden
Krankheitsbilder Hebels nach heutigem klinischem Wissen diagnostiziert.
Im einzelnen wird festgestellt: Im Winter 1803/04 „leidet Hebel an einer Pharyngitis
chronica, verbunden mit chronischem Tuben- und Mittelohrkatarrh; als
Dauerfolge bleibt eine hochgradige einseitige Mittelohrschwerhörigkeit zurück".
In den Jahren 1806/07 leidet Hebel an heftigen Zahnschmerzen, Zahnfleischgeschwülsten
und Drüsengeschwülsten am Kinn; es handelt sich dabei z. T. — stellt
Berthold fest — „um rezidivierende . . . Zahnwurzelgranulome bei einem cariös
veränderten Gebiß", die als Fokalinfektion wirken; unter den dazugehörenden
„Erscheinungen im rheumatischen Formenkreis" steht voran „ein chronischer, mit
den Jahren sich verschlimmernder Muskelrheumatismus des rechten Armes und
eines Beines". Berthold bemüht sich dann um Aufklärung jener oft wiederkehrenden
Erkrankung „mit den Hauptsymptomen Fieber, starke Schläfrigkeit,
Schweiß und Schwindelanfällen"; er verneint das Vorliegen einer Encephalitis lethar-
gica, da bestimmte hierfür obligate Anzeichen fehlen, und vermutet als Ursachen
„vegetative Reaktionen des Organismus auf eine massive Toxinausschwemmung
infektiöser Prozesse". Harmloser erscheint demgegenüber der Krampfhusten, an
dem Hebel ebenfalls 1806/07 leidet und den Berthold als chronische Raucherbronchitis
ansieht. Auch die verschiedenen Verstimmungen und Depressionen
Hebels finden sorgsame Beobachtung: Berthold glaubt nicht, daß Hebel an einer
endogenen Depression gelitten hat, sondern erblickt in seinen Verstimmungen und
seinem zeitweitigen Lebensüberdruß lediglich „reaktive Depressionen", die von

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