Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
41.1979, Heft 1/2.1979
Seite: 80
(PDF, 39 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1979-01-02/0086
Revolution in Baden

von Paul Rothmund

„Wohlstand, Bildung, Freiheit für alle" — das war die Parole, die vor 130
Jahren Gustav von Struve vom Lörracher Rathaus aus verkündete. Sie sollte den
Inhalt der Deutschen Republik, die an diesem Tag proklamiert wurde, umreißen
. Lörrach, damals knapp 41 ft Tausend Einwohner zählend, war Mittelpunkt
des deutschen politischen Lebens geworden, Hauptquartier der provisorischen
Regierung Deutschlands.

Die Dokumente dieser Regierung, die Erlasse und Befehle illustrieren die Zeitumstände
in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie zeigen die Nöte und Sorgen, die
Mühen und Belastungen des Volkes auf. So wurden die Feudallasten aufgehoben.
Die Schulden der Bauern aus der Ablösung der Bauernbefreiung wurden annulliert.
Alle Abgaben an Staat und Kirchen wurden als aufgehoben erklärt und das
Grundeigentum des Staates, der Kirche und der Großgrundbesitzer sollte an die
Gemeinden fallen.

Es war ein revolutionäres Programm, das die Setzer in Lörrachs einziger
Druckerei in Eile setzten und das weit über das badische Oberland hinaus verbreitet
wurde.

130 Jahre danach müssen wir uns fragen, warum war es Lörrach, warum war
es das kleine Land Baden, das zum Mittelpunkt des politischen Geschehens wurde.

Baden, wie es uns sich bis zum Ende des Dritten Reiches darstellte, war ein
Land ohne große Tradition. Nur dynastische Rücksichtnahme auf familiäre Bindungen
haben bei der großen politischen Landkartenbereinigung 1815 beim Wiener
Kongreß verhindert, daß dieses Land aufgehoben, aufgelöst wurde. Das Land
mußte völlig neu gestaltet werden, denn es sah sich vor die Tatsache gestellt, daß
sein Territorium nun fast das Vierfache und seine Bevölkerung fast um das Sechsfache
angestiegen ist. Im Jahre 1800 war Baden 3.900 qkm groß und hatte 165.000
Einwohner, 1815 waren es 14.000 qkm und 900.000 Bewohner. Land und Leute
kamen aus Teilen Vorderösterreichs, von Fürstenberg, von Löwenstein, von der
Kurpfalz, von Reichsabteien, Reichsstädten, von den Hochstiften Basel, Straßburg
und Speyer und auch aus ritterschaftlichem Besitz. Alles in allem war es kein
homogenes Gebilde, umso mehr, als die beiden badischen Markgrafschaften Baden
und Baden-Durlach nach jahrhundertelanger Trennung erst seit 1771 vereinigt
waren und daher keineswegs integrierend wirken konnten. Politisch, konfessionell,
kulturell und soziologisch war das Großherzogtum Baden am Anfang ein heterogenes
Konglomerat, keine organische Einheit. Ziel aller landesherrlichen Politik
mußte es daher sein, Land und Volk zu assimilieren, zu integrieren und ein
Staatsbewußtsein zu schaffen. Wie sehr dies gelungen ist, zeigte sich bis in die
Gegenwart. Das Ergebnis der Volksabstimmungen im Rahmen der Südwest-
staats-Kampagne um die Wiederherstellung des Landes Baden ist ein deutlicher
Beweis dafür.

Ein Staatsbewußtsein im Volke zu schaffen, ist aber nur möglich, wenn dieses
Volk tätigen Anteil an diesem Staat hat, wenn das Volk mitreden kann und damit
Mitverantwortung tragen muß. All dies gab die Verfassung des Großherzogtums
Baden von 1818.

Diese Verfassung schuf einen neuen staatspolitischen Zustand, den wir als
Dualismus bezeichnen können: Neben den Vertretern des Staates und der Staatsgewalt
, den Ministern oder Räten, standen nun die Vertreter der Gesellschaft, der
Untertanen, die Volksvertreter aus dem Bürgertum und der Bauernschaft, die
Abgeordneten der Kammer oder des Landtages. Baden war vor der Gründung
des Deutschen Reiches der einzige deutsche Staat, in dem das parlamentarische

80


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1979-01-02/0086