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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
43.1981, Heft 2.1981
Seite: 195
(PDF, 36 MB)
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Vor allem sollten die Menschen vom Müßiggang abgehalten werden."h Davon versprach
man sich einen erzieherischen und bildsamen Effekt und gleichzeitig, indem Arbeitsmöglichkeiten
für sie geschaffen würden, eine Verbesserung ihrer materiellen Lebensverhältnisse
.

Dies alles schien am ehesten in der Textilindustrie realisierbar zu sein, da die in ihr zu
verrichtende Arbeit - wie man glaubte - auch gut von Frauen und Kindern bewältigt
werden konnte. Deshalb wurde dieser Industriezweig auch als besonders förderungswürdig
angesehen und genoß die größte Unterstützung von seiten der badischen Regierung
und des Oberamtes Lörrach, dessen Vorsteher Wallbrunn recht rigide vorgehen
konnte, wenn es ihm auf die Verwirklichung seiner volkspädagogischen Intentionen an-
kam.39)

1766/67 wurde von ihm beispielsweise angeordnet, daß jeder Rebländer zwischen
dem 10. und dem 50. Lebensjahr wöchentlich ein bestimmtes Quantum Garn zu spinnen
habe; darüber hinaus regte er die Prämierung des besten Garns durch den Unternehmer
Küpfer an. Wallbrunn war der Meinung, ohne solche Zwangsmittel nicht auskommen
zu können, denn: »wenn der Bauer nicht muß, regt er weder Hand noch Fuß«.40)
Besonders in der unteren Markgrafschaft bestand eine gewisse Abneigung gegen die
Hausindustrie, während die Menschen im konzentrierten Fabrikbetrieb Küpfers beispielsweise
lieber arbeiteten.

Von der Textilindustrie erhoffte man sich insbesondere aber auch die Bereitstellung
von Beschäftigungsmöglichkeiten für kleinere Kinder. »Die Erziehung des Volkes zu
höherer Arbeitsleistung soll schon bei den Kindern beginnen, und auf solche Weise soll
die Landwirtschaft mit industrieller Nebenbeschäftigung verbunden werden.«41)

Verschiedene Akten lassen erkennen, daß in den Jahren 1767/68 Spinn- und Strickschulen
in der Lörracher Umgebung bestanden haben, da von Wallbrunn »anbefohlen
wurde, dafür zu sorgen, daß alle Kinder weiblichen Geschlechts vom 6. bis 7. Jahre an
zur Erlernung des Spinnens, sowie die Knaben von solchem Alter an zur Erlernung des
Strickens den Winter hindurch entweder von ihren Eltern oder anderen in der Gemeinde
angehalten werden.«4") Wallbrunn war davon überzeugt, »daß der Unterricht deren
Kinder im Spinnen, Nähen und Stricken, nicht nur ihnen selbst, sondern auch dem ganzen
gemeinen Wesen zu großem Nutzen gereichen müsse, weilen dergleichen Kinder dadurch
zu nüzlicher Arbeith angewöhnet, und zugleich vom Müßiggang, der vieles böses
lehret abgehalten werden.«43' Entsprechende Ausbildungsstätten existierten beispielsweise
in Tüllingen, Tumringen, Hauingen und fast allen Reborten.44)

Die Landwirtschaft sollte aber keineswegs durch die allmählich aufkommende industrielle
Arbeitswelt zurückgedrängt, sondern lediglich um diese ergänzt werden, was
den Vorstellungen Karl Friedrichs, der sich mittlerweile auch von physiokratischen Ideen
leiten ließ, am ehesten entsprach. Es konnte aber auf Industrieansiedelungen einfach
nicht verzichtet werden, da die vielen, durch Realteilung zersplitterten und kleiner gewordenen
landwirtschaftlichen Betriebe bei wachsender Bevölkerung für die einzelnen
Menschen einfach nicht mehr genügend abwarfen und dadurch viele dem Bettelstab auslieferten
. Industrielle Jugenderziehung und industrielle Arbeit als Gegenmaßnahmen
sollten die bestehende Armut verringern und schließlich beseitigen, um so das alte System
der Armenunterstützung möglichst überflüssig zu machen. (Wenn in dieser frühen
Phase der Entwicklung von 'industrieller' Tätigkeit die Rede ist, so ist damit auch noch
die Heimarbeit, also die Handarbeit am Spinnrad oder am Webstuhl gemeint, sei es für
den einzelnen Fabrikbetrieb oder für das dezentral angelegte Verlagssystem.)

Es können, grob zusammengefaßt, 3 übergeordnete Zielsetzungen aus der markgräflichen
Wirtschafts- und Sozialpolitik herausgelesen werden:

1) Verbesserung der finanziellen Lage des Staates Baden,

2) Erschließung neuer Nahrungsquellen für die in der Landwirtschaft freiwerdenden
Arbeitskräfte,

3) Erziehung zur Industrie durch Kinderarbeit.45'

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