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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
49.1987, Heft 1.1987
Seite: 46
(PDF, 35 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1987-01/0048
Die zur Legende gewordene dritte Belagerung

Der kurze Wiederauftritt Napoleons auf der Weltbühne, nachdem er die Insel Elba
verlassen hatte und der bei Waterloo sein Ende fand, hatte für Hüningen böse Folgen.
Die Stadt erlitt ihre dritte Belagerung, die mit einer Kapitulation endete, der die Schleifung
der Festungswerke folgte.

Es ist die berühmteste der drei Belagerungen Hüningens, obwohl sie vom militärischen
Standpunkt aus keine bemerkenswerteren Ereignisse aufwies als die zwei vorhergehenden
. Ein Militärhistoriker wie A. Chuquet unterstreicht in seinem Buch »Das El-
sass im Jahre 1814« (L'Alsace en 1814), daß die zweite Belagerung länger, härter und heldenhafter
war als diejenige von 1815. Aber der drei Monate währende Widerstand einer
zahlenmäßig den Belagerern weit unterlegenen Garnison, und dies über Waterloo hinaus
, wurde sofort als ein episches Ereignis dargestellt, was keineswegs der Fall war. Und
dieses Ereignis wurde 75 Jahre später durch einen Künstler einem breiten Publikum wieder
in Erinnerung gerufen. 1892 stellte der bekannte Schlachtenmaler E. Detaille in Paris
ein großes Gemälde »Die Ubergabe Hüningens« aus, das einen außerordentlichen Erfolg
verzeichnete. Weshalb? Weil das Bild eine Szene aus dem 1871 verlorengegangenen
Elsaß darstellte, und zwar eine Szene des Widerstands gegen einen Eindringling. Hüningen
, das einem siegreichen Feind Widerstand leistete, erschien als ein Symbol des Widerstands
der Elsässer gegen die Annexion durch Deutschland. Reproduktionen des Gemäldes
überschwemmten bald Paris und die Provinz: die dritte Belagerung Hüningens
trat aus der Geschichte in die Legende ein.

Aber kommen wir zu den geschichtlichen Tatsachen. Jemand, der sie gut kennt, ist
Blanchard, der damalige Hüninger Bürgermeister, der ein Tagebuch der Belagerung ins
Protokollregister des Gemeinderats eintrug. Laut diesem Tagebuch bestand die Hüninger
Garnison aus drei Bataillonen Nationalgardisten des Kreises Altkirch, eines des
Kreises Beifort, insgesamt 2 000 Mann; dazu kamen 120 Zöllner, 29 Mann des 6. Linienregiments
, 4 Mann der Gendarmerie-Brigade, zwei Kompanien des 1. Artillerie-Regiments
. Wir sind weit entfernt von den 135 Mann der Legende. Und trotzdem hat diese
nicht so ganz Unrecht. Denn an dieser Garnison nagt der Zweifel. Für wen kämpft man
denn? Für den Kaiser? Für den König? Die in Eile einberufenen Nationalgardisten versahen
ihren Dienst in Zivilkleidern und hatten nur einen Gedanken: so rasch wie möglich
nach Hause zurückzukehren. Es gab in der Tat wahrscheinlich nicht mehr als 135 Mann,
die ohne politische Erwägungen den Platz so lange wie möglich halten wollten.

Hüningen wurde am 26. Juni eingeschlossen, am Tag, an dem die ersten alliierten
Truppen über die Basler Rheinbrücke zogen. Bereits in der ersten Nacht verließen 50
Nationalgardisten ihren Posten. Zwei Tage später stand das benachbarte Bourgfelden in
Flammen. Als Vergeltung ließ Barbanegre, der Hüninger Platzkommandant, auf Basel
schießen. Erzherzog Johann drohte, soviel elsässische Dörfer in Brand zu setzen als
Bomben auf Basel fallen würden. Nach einer Woche forderte der Erzherzog General
Barbanegre zur Ubergabe auf. Weigerung des Verteidigers.

Nach zehn Tagen hatten bereits 785 Mann der Garnison desertiert. Der Erzherzog informierte
seinen Gegener, daß die Alliierten schon seit fünf Tagen in Paris seien, und ließ
ihm eine Proklamation Ludwigs XVIII. zustellen. Barbanegre schenkte diesen Nachrichten
keinen Glauben. Einige Tage später ließ er einen Wirt und Metzger sowie dessen
Frau einsperren, weil sie ihren Gästen ein Schreiben gezeigt hatten, in dem behauptet
wurde, Ludwig XVIII. habe wieder den Thron bestiegen.

Einen Monat nach Beginn der Einschließung wurde eine Schiffmühle, die im Rhein
nahe der Schweizer Grenze befestigt war, losgemacht und von der Strömung fortge-

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