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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
49.1987, Heft 1.1987
Seite: 78
(PDF, 35 MB)
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Markgräfler Einwanderer in Riehen

Michael Raith
1. Einleitung

Gefragt ist das Außerordentliche, das Normale interessiert wenig. Und doch bleibt es
eine Binsenwahrheit, daß Alltägliches das Leben und damit die Geschichte zur Hauptsache
prägt. So wird eine allein an Gold- und Menschenknochenfunden orientierte Archäologie
über eine steinzeitliche Gesellschaft wenig aussagen. Auch eine sich auf Adlige
und Hugenotten beschränkende Genealogie dürfte in den meisten Fällen keine sinnvolle
und ausgewogene Darstellung der Aszendenz bieten. Das Umgekehrte gilt ebenfalls.
Vor allem nach 1933 schämte man sich in der Schweiz seiner deutschen Großmutter, was
besonders in Basel und Umgebung, wo sozusagen jeder eine beträchtliche Erbmasse aus
dem nördlichen Nachbarland besitzt, zeitweise zu grotesken Verleugnungen führte.
Wie weit die nationalsozialistische Rassenideologie solche Absetzbewegungen provozierte
, müßte gesondert untersucht werden. Der schweizerisch-deutsche Gegensatz beginnt
jedoch schon viel früher, und zwar spätestens mit dem Krieg Kaiser Maximilians L
gegen die Eidgenossen (1499). Seither kam deutscher Abstammung - im Gegensatz zur
welschen, d.h. der französischen oder italienischen - ein geringerer Stellenwert zu, was
wegen ihres häufigen Erscheinens auf fast allen Stammtafeln umso fataler war. Im frommen
Basel tröstete man sich mit dem abgewandelten Pauluswort (Römer 3,23): »Wir
sind allzumal Schwaben und ermangeln des Ruhms«.

Es zeigt sich hier ein auch anderwärts feststellbares Sprachphänomen. Völker benennen
Nachbarn oft nach dem ihnen zunächst wohnenden Stamm, und nicht nach der für
alle geltenden Selbstbezeichnung. So stießen die Römer auf ihrem Weg nach Osten zunächst
auf die Graikoi und hießen ihretwegen alle Hellenen so. Oder das Land des südwestlichsten
Germanenstammes, der Alemannen, steht den Franzosen als pars pro toto
für das gesamte deutsche Gebiet. In gleicher Weise entstand das schweizerische und ursprünglich
keineswegs pejorativ gemeinte Wort »Schwobe« für alle Deutschen. Die Spezialbedeutung
'Württemberger' gibt es daneben allerdings auch.

Es würde hier zu weit führen, die Hintergründe der Nationenwertung auszuleuchten.
Der zeitliche Abstand vom Zweiten Weltkrieg einerseits und die heute großen Kontingente
von Ausländern aus entfernteren Kulturbereichen andererseits lassen alte Vorurteile
verblassen. Im übrigen verstand und versteht man sich mit indirekten Nachbarn aus
einleuchtenden Gründen meist besser als mit direkten. Herkunftslegenden pflegen zudem
nicht allein einzelne und Familien, sondern auch ganze Völker. So betrachteten sich
die Bewohner des im Mittelalter führenden und darum dem ganzen Land ihren Namen
gebenden eidgenössischen Standes Schwyz als Nachkommen von Schweden und Friesen
. Bricht man über dieser Sicht vorschnell den historischen Stab, so geht Wesentliches
verloren. Im letztlich religiösen Denken der Menschen verbinden sich mit den Vorstellungen
bestimmter Weltgegenden Momente der Mission und Apokalyptik.

Die Wurzeln der trotz aller Nachbarschaftsprobleme engen kulturellen, wirtschaftlichen
und menschlichen Kontakte zwischen der Schweiz und Deutschland reichen unterschiedlich
tief. Das partiell gemeinsame Alemannentum dürfte die stärkste Brücke bilden
. Das zwar auch vielfältige Hin- und Herüber zwischen den Eidgenossen einerseits
sowie den Hessen, Bajuwaren, Sachsen etc. andererseits erreicht allein in quantitativer
Hinsicht nie die Bedeutung des Austausches zwischen dem Elsaß, Baden, Württemberg,

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