Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
50.1988, Heft 1.1988
Seite: 35
(PDF, 35 MB)
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und der stark entwickelte Erwerbssinn dies verhindern würde, noch in höherem Masse
imstande, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln selbst kleine Kulturanforderungen
zu stellen. Wir stellten bereits fest, dass sich die Dinkelberger Bewohner nicht mehr mit
den notwendigsten Einrichtungen begnügen, sie schmücken ihre Behausung mit Photographien
, in den letzten Jahrzehnten auch mit Regulatoruhren statt mit der einfachen
Schwarzwälder Uhr. Bereits jede Haushaltung besitzt ausserdem heute noch eine Wek-
keruhr und jeder Erwachsene eine Taschenuhr.

Als weitere allgemeine Sitte hat sich herausgebildet, dass die Verlobenden sich zum
Zeichen der Treue mit einem Goldreif beschenken. Zur Hochzeit geladene Gäste erfreuen
das junge Ehepaar vielfach mit für den Haushalt nützlichen Gegenständen, und
zwar meistens mit Küchengeräten.

In jede Familie trägt heute der Postbote neben den landwirtschaftlichen Zeitungen
noch eine Tageszeitung. Vorwiegend ist es die hohe Politik, welche den Dinkelberger
Landwirt interessiert, verfolgt er doch mit reger Anteilnahme das Schicksal seiner engeren
und ferneren Heimat. Von radikalen Linksströmungen will man auf dem Dinkelberg
von jeher nichts wissen, verfällt aber auch nicht in das Gegenteil. Wie überall,
zeigt sich auch hier, dass Eigentum an Grund und Boden den sozialistischen Ideen nicht
förderlich ist. Während man vor wenigen Jahrzehnten auf dem Dinkelberg allgemein
nationalliberal wählte, ist in letzter Zeit diese Strömung zu Gunsten des Zentrums und
der Deutschnationalen Volkspartei bzw. des Landbundes umgeschlagen.

Eine angenehme Unterhaltung während der langen Winterabende liefern die Geschichten
des Volkskalenders. Gelangt aber einmal ein Ortsbewohner in den Besitz eines
interessanten Buches, das vielleicht gar vom 70er Kriege oder den Schlachten des
kurz vergangenen Völkerringens erzählt, so wird dasselbe vom ganzen Dorfe gelesen.
Die wenigen Bände der Schülerbibliothek erfahren ebenfalls eine eifrige Benutzung
durch jung und alt.

Ein Besuch des Friedhofes belehrt uns weiter über die fortschreitende Kultur der Bewohner
der drei Dörfer. Die Gräber der Verstorbenen werden 20 und mehr Jahre sorgfältig
gepflegt und jeden Sonntag nach der Kirche von den Angehörigen der Toten besucht
. Jede Totenstätte trägt ein Kreuz, das bei den Ärmeren aus Holz oder Eisen, bei
den Reicheren aus Marmor, Granit, Sandstein usw. hergestellt wird. Wenn die Bewohner
der drei Dörfer auch nicht gerade als fromm bezeichnet werden können, so erfüllen
sie doch grossenteils ihre Christenpflicht.

Der Wirtshausbesuch kann im allgemeinen in den drei Dörfern nicht als rege bezeichnet
werden. Die 2 Wirte in Adelhausen bzw. die 3 in Minsein sind ohne Nebenerwerb
ausserstande, ihre Familien ausschliesslich von den Einkünften der Schankwirtschaft
zu ernähren. Mit wenigen Ausnahmen erlaubt sich der Dinkelberger Landwirt nur an
Sonn- und Feiertagen, die Geselligkeit bei einem Glas Bier oder Wein in der Wirtschaft
zu pflegen. Wenn wir im Vorstehenden die derzeitigen sozialen und ökonomischen Zustände
der drei Dörfer gezeichnet haben, so dürfen wir das Kapitel nicht abschliessen,
ohne den tiefer liegenden Ursachen des vergangenen wirtschaftlichen und sozialen
Aufstieges nachzuforschen.

Wohl haben wir schon früher ausgeführt, dass der Aufschwung, welcher sich in so
kurzer Zeit vollziehen konnte, in dem allgemeinen wirtschaftlichen Aufstieg des neu erstandenen
, geeinigten Vaterlandes begründet ist. Doch wäre, wie im übrigen Deutschland
, in den drei Dörfern diese Umwälzung nicht möglich gewesen, hätte dafür nicht
bereits eine gründliche Vorbereitung stattgefunden. Welche tieferen Ursachen waren
es nun. die dem Dinkelberger Landwirt die Möglichkeit gaben, trotz des verhältnismässig
armen Kalkbodens, der geringen Luftwärme, des hügeligen Terrains und des Ab-

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