Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
50.1988, Heft 1.1988
Seite: 102
(PDF, 35 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1988-01/0104
Die im Spanischen Erbfolgekrieg 1704 vollständig zerstörte Stadt begann 1725 auf
dem Platz der abgegangenen Franziskanerkirche mit dem Bau einer neuen Kirche. In
ihrenTurm kam auch die alte Glocke von 1200. Schon nach etwa 150 Jahren befand sich
diese Kirche in einem derart schlechten Zustand, daß dieser einen Neubau erforderlich
machte. 1886 wurde die baufällige Kirche abgerissen, nur derTurm blieb stehen, der in
den Neubau der Maria-Himmelfahrtskirche integriert wurde.

Aus dem Jahre 1868 ist ein Gutachten des Orgelbauinspektors Schweitzer über
das Geläut der Pfarrkiche vorhanden. Im Turm waren damals sechs Glocken, die
alte von 1200 "gut klingend", eine aus dem Jahre 1762 "Klang ebenfalls gut", eine
zersprungene Glocke, "daher unbrauchbar", eine weitere Glocke, die "gut" und
zwei Glocken, die "mittelmäßig" beurteilt wurden. Am 8. Dezember 1868 gab die
Stadt bei der Glockengießerei Koch in Freiburg im Breisgau drei neue Glocken für
die Pfarrkirche in Auftrag, die zusammen mit den drei vorhandenen "guten" Glok-
ken zu einem neuen Geläut zusammengestellt wurden. Sie kosteten 5050 Mark und
konnten am 24. März 1869 vom Erzbischöflichen Orgelbauinspektor abgenommen
werden.

Im März 1917 erging die Anordnung des Kriegsministeriums über die Beschlagnahme
. Bestandserhebung und Enteignung der Bronzeglocken. Die wertvolle Neuen-
burger Glockenpatriarchin aus dem Jahre 1200 konnte dank ihres kulturgeschichtlichen
Wertes vor der Vernichtung gerettet werden. Die übrigen Glocken wurden vom
Turm geholt, eingeschmolzen und zu Munition verarbeitet.

1925 war das Geburtsjahr für vier neue Glocken, die als Ersatz "für die im Weltkrieg
1914 -1918 geopferten alten Glocken", wie die Inschrift auf ihrem Glockenmantel besagte
, von der Glockengießerei Grüninger Söhne in Villingen gegossen wurden. Schon
15 Jahre später, 1940, schlug ihre Sterbestunde.

Wenige Monate vor der völligen Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg, der nun
auch die über die Jahrhunderte wohlgehütete 740 Jahre alte Glocke aus dem Münster
zum Opfer fiel, widmete ihr die Unterhaltungsbeilage zum Armee-Nachrichtenblatt in
"Neujahrsläuten vom Oberrhein" noch einen Beitrag, dem wir auch die einzige authentische
Aufnahme der Neuenburger Glocke von 1200 verdanken: "Fein ist ihr Ton, und
weich ist ihr Klang, denn edel und kostbar ist die Legierung, aus der ein Meister sie
einst geschaffen. Stürme brausten über das Land, Fluten zerfraßen die Stadt, Feuersbrunst
und Krieg verschlang ihre Häuser. Die Glocke klingt, wie sie immer klang. Kaiser
und Könige, Herzöge und Adelsgeschlechter sanken dahin und zerfielen in Staub.
Die Glocke läutet heute mit gleichem Klang, mit dem sie einst ihnen geläutet. Viele
Zeiten der Not hat sie gesehen und Jahre harter Bedrängnis. Immer aber kam dann
auch der Tag, an dem ihre Stimme freudig erklang, weil die Not zu Ende, und immer
hat sie dann wieder freien deutschen Menschen Jahre des Glücks eingeläutet und Jahre
des Segens."6' Beim Brand der Maria-Himmelfahrtskirche am 12. Juni 1940 sind die
Glocken geschmolzen. Wie eine riesige Fackel leuchtete der Glockenturm der Kirche
weit hinaus in das Land. "Sofort nach der Freigabe der Stadt kamen unzählige Menschenmassen
hierhergeströmt und haben alles nach Kriegstrophäen abgesucht. Auf
diese Art dürfte auch das abgetropfte Glockenmetall abhanden gekommen sein", berichtet
Bürgermeister Eduard Linsenboll im März 1942 an die "Reichsstelle für Metalle
" nach Berlin.

1975 kam die Stadt in den Besitz eines dieser Glockenstücke, das von dem Neuenburger
Bürger Hermann Grumber gerettet wurde. Nach sorgfältigen Recherchen kann jedoch
entgegen früherer Meinung festgestellt werden, daß dieses Glockenstück mit der
alten Glocke von 1200 leider nichts zu tun hat.7)

102


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1988-01/0104