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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
50.1988, Heft 1.1988
Seite: 149
(PDF, 35 MB)
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dernswert die Weite des geistesgeschichtlichen Bogens. den er dabei schlug, wobei sich
seine große Kenntnis der europäischen Literaturen manifestierte. Aber dann - stilisierte
er den Besuch Hitlers 1922 am Krankenbett des Deutschlandverehrers Houston
Stewart Chamberlain zu einer Art Sternstunde hoch, in der dieser in Hitler den Erwek-
ker Deutschlands erkannte. Und so wie Chamberlain, der Goethe-Biograph, von Goethe
zu Hitler gekommen sei. so müßten auch die deutschen Dichter alle diesen Weg gehen
. Der ganze letzte Teil der Rede ist eine Lobeshymne auf Hitler und seine Sendung.
Hitler ist "der deutsche Held", er ist der "Retter und Erlöser der Nation" usw. Man
kann also von Burtes Rede nicht sagen, die lobende Erwähnung Hitlers sei eine Art
Pflichtübung gewesen, wie sie damals bei einer Rede eben üblich war: Das war mehr!
Lesen Sie es nach in dem Buch "Sieben Reden von Burte". das 1943 im Straßburger Hünenburg
-Verlag erschienen ist.

Neben dieser Hitler-Verehrung stehen als zweite Fehlleistung Burtes seine antisemitischen
Äußerungen, die insbesondere in der Rede auf dem Deutschen Dichtertreffen
1942, ebenfalls in Weimar, nachzulesen sind. Diese Rede. "Worte an Bartels", hielt
Burte anläßlich des 80. Geburtstages von Adolf Bartels, dessen Literaturgeschichte
und Rezensionen rassische Grundlagen hatten, also bestens ins Konzept der Hitler- Bewegung
paßten. Burte sagte dort u.a.: "Wie ein Forscher den Erreger undTräger einer
Seuche, so verfolgten Sie (also Bartels) den Feind, bis in seineTarnungen und Blendungen
hinein. Sie wagten etwas, was noch unerschaut und unerhört war, Sie schieden in
unbedingter ehrlicher Sichtung Deutsche und Juden in der Dichtung." Und später hieß
es dann: "Eine lebenswichtige Quelle (für das Volk nämlich) ist die Dichtung; wird sie
getrübt, erkrankt das Volk, das ihr Wasser trinkt. Das weiß der Jude, der böse Feind des
Menschengeschlechtes, wie ihnTacitus nannte, schon jahrtausendelang, also suchte er
hier zü wirken, um uns zu verderben." -

Das. verehrte Anwesende, soll genügen. Es ist daraus zu ersehen, daß jene, die
Burte ob seiner Einstellung einen Nationalsozialisten, gar einen Nazi nannten, nicht
ohne Grund ihre Vorwürfe erhoben. Aber man fragt sich, wie sich gerade der zuletzt
aufgezeigte Antisemitismus mit der Tatsache verträgt, daß er mit Walther Rathenau,
dem Chef der "Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft" in Berlin und späteren Außenminister
, befreundet war, der sich selbst in der Widmung eines seiner Bücher an Hermann
Burte den "Ewigen Juden" genannt hatte. Oder auch mit der Freundschaft mit
dem elsässischen Dichter Nathan Katz. der Jude war.

Hier erhebt sich für uns auch die Frage, inwieweit Burtes politisches Engagement
und seine diesbezüglichen Äußerungen seiner wirklichen Überzeugung entsprachen
oder ob sie nicht von der Angst um die eigene Existenz und der Sorge um deren materielle
Basis bestimmt waren - man bedenke: als freischaffender Künstler! Diese Frage,
die sich gerade auch bei den "Sieben Reden" stellt, bedürfte, um eindeutig beantwortet
werden zu können, weiterer, unvoreingenommener Nachforschungen.

Ich greife zurück auf einen Leserbrief aus dem Jahre 1979. dessen Autor nicht bekannt
ist. Dort heißt es anläßlich des 100. Geburtstages unseres Dichters: "Da hat jeder
, der es noch nicht wußte und der sich z.B. den 'Wiltfeber* und die 'Sieben Reden"
vorgenommen hat, mit Bestürzung feststellen müssen, daß da eine andere Seite war,
die uns heute zutiefst erschreckt. Und das trotz regelmäßigen Kirchgangs und dauern-'
der Beschäftigung des Dichters mit Christus bzw. "Krist". - 'Der Geist muß Meister werden
!' sagte er selbst. Einverstanden - aber da ist eine ganze Menge, die wir als "Lmgeist"
bezeichnen müssen. Burte hatte eben beide Seiten". - Soweit der Leserbrief.

Wir Burte-Freunde sollten uns also darauf einlassen, daß der. den wir als den größten
Dichter alemannischer Zunge nach Hebel verehren, kein so klares Profil hatte, wie wir

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