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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
51.1989, Heft 2.1989
Seite: 38
(PDF, 34 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1989-02/0040
Ottis Gesicht ist nach dem sechsmonatigen Krankenhausaufenthalt sehr entstellt.
Doch sofort danach geht's wieder in die Lüfte.

Eines Tages steht eine sehr merkwürdige neue Maschine auf dem Platz: die Flügel
ganz aus Zelluloid, um sie für militärische Zwecke fast unkennntlich zu machen. Es
wird eine Wette von 800 Mark ausgesetzt für den. der eine Runde damit fliegen kann.
Otti gewinnt die Wette und schreibt heim: "Vorher isch keine ineg*hockt, aber zum ver-
suffe sin alli do gsi."

Selten nur ist Otti in seinem geliebten Markgräflerland. nach dem er immer Heimweh
hat. Doch gleich nach dem schlimmen Unfall kommt er kurz heim, nimmt einen
feurigen Gaul - er reitet am liebsten solche, die alle Reiter abwerfen wollen - und
sprengt nach Obereggenen. Dort zwingt er das unwillige Tier die schmale. steileTreppe
des Stiefvatter-Hauses. neben dem Haus Lina Kromers. hinauf, durch die wenig hohe
Haustüre - Otti immer noch im Sattel - in die Küche. Dort sitzt der Bruder seines Vaters
und sagt seelenruhig: "Herrjere Otti. i ha gmeint. Du heigsch kei Nase me"; Otti: "Ge-
etti (die Millemer sagen nicht Götti) si mache eim wieder eini". Dieses Begebnis hat
mir erst kürzlich wieder von neuem Frau Marie Bieg-Stiefvatter. Obereggenen. berichtet
, die ihren Vetter Otti so als kleines Mädchen erlebte.

Nach vielen Mißerfolgen, die auf die damaligen Flugzeuge, aber auch auf Ottis Tollkühnheit
zurückzuführen waren, gelang es ihm. am 16. September 1913 den Fernflug-
Wettbewerb zu gewinnen. Er flog auf einer Jeannintaube mit Argusmotor von Frei-
burg/Brsg.. mit Oberleutnant Zimmermann als Begleiter, über Gotha. Berlin. Schneidemühl
nach Königsberg (1150 km weit). Hören wir Otti selbst (ausschnittweise) den
Flug schildern:

"Morgen um 3 Uhr auf dem Flugplatz. Die Wolken hatten sich geteilt, und der Mond
sandte seine milden Strahlen auf das schöne Dreisamtal. ...

Heidelberg kam. Wir sahen, wie die Sonne in die dunklen Gassen kroch und auch
endlich die Erde unter uns mit ihrem Licht vergoldete. Vor Mannheim begann sich der
Himmel zu bedecken, und eine finsterdrohende Wolkenwand kam uns entgegen. ...Ich
stieg. ... 2000 Meter zeigte mein Höhenmesser. Von der Erde war nichts mehr zu sehen.
Nur eine wunderbare Wolkenformation lag unter uns. und nun orientierten wir uns
nach Kompaß und Sonne. Über den Thüringer Wald ging es hinweg. Aus den Wolken
ragte die alte Wartburg hervor und sandte uns ihren Gruß herauf. Nach vierstündiger
Fahrt schreibt Oberleutnant Zimmermann auf einen Zettel (eine andere Verständigung
war wegen des Krachs durch den Motor und Luftzug nicht möglich): "Wir müssen hinunter
, wir müssen in der Nähe von Gotha sein." Motor abgestellt, durch die Wolkenwand
durchgestoßen. In 500 Meter Höhe kam ich durch die dichten Wolken hindurch
und sah plötzlich ein Städtchen unter mir liegen. "Gotha", ruft Oberleutnant Zimmermann
. Rasch wird der Landungsplatz gesucht und im steilen Gleitflug gings hinab, um
keine Zeit zu verlieren. Glatt gelandet, von den Herren freudig begrüßt. Rasch wird
Benzin und Oel nachgefüllt, und wir stärken uns mit einer Tasse Kaffee.

Nach halbstündigem Aufenthalt ging es weiter nach Berlin. Wir flogen über Dessau.
Wittenberg. Jüterbog. Luckenwalde. Hier hatten wir unheimlich unter der grausigen
Kälte, die in den oberen Luftschichten herrschte, zu leiden, so daß wir stark Kopfweh
bekamen. Doch nur der eine Gedanke beseelte uns: Es gilt, wir müssen durch! Bei Lukkenwalde
kamen wir in dichte Regenwolken. Der Regen stach uns wie mit Nesseln ins
Gesicht. Endlich sahen wir durch die Wolken den Flugplatz Johannisthal. Rasch wurde
gelandet und die Maschine in unserem eigenen Werk nachgesehen. Wir warfen uns in
das Gras in die Sonne, um uns zu wärmen. Nach einer kurzen Stärkung und einstündigem
Aufenthalt ging es weiter. Der Wind hatte mächtig zugenommen. Stoßweise fegte

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