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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
51.1989, Heft 2.1989
Seite: 93
(PDF, 34 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1989-02/0095
der gebildeten Stände am Werk, wo doch viel eher ein Lehrstück in Gleichheit und Brüderlichkeit
zu beobachten war. Vielleicht ahnt er aber doch die soziale Bedeutung des
Vorgangs: zumindest läßt die Wahl der Worte, mit denen er den lebenslangen Eindruck
jenes Geschehens wiedergibt, diese Deutung zu:

Dieses Zumittagessen auf der Straße, die mannigfachen Gruppen der Familien, zwischen
Frauen und Kindern die hellen Uniformen, denn Väter. Gatten und Brüder, alle
waren ja Nationalgarden, dieser Anblick war einer der größten und eigentümlichsten
meines ganzen Lebens.

Das Fest der Annahme der Verfassung war eine eher spontane Veranstaltung aus gegebenem
Anlaß. Im Zyklus der Revolutionsfeste können wir es nicht finden, weil schon
bald die Entwicklung über die Errungenschaften von 1791 hinausging. Daß auch in
Straßburg in der allgemeinen Hochstimmung schon Unzufriedenheit und radikalere
Forderungen vernehmbar sind, entgehtVarnhagens aufmerksamer Beobachtung nicht.

Nur selten erhoben sich in der allgemeinen Freudigkeit rohere Stimmen, die zu Gewalt
und Haß anreizen wollten. [...] Erst in der Nacht gelang es einem Pöbelhaufen,
einige Fenster in der Wohnung des Maire von Dietrich einzuwerfen und auf öffentlichem
Platz einen Strohmann zu verbrennen, der diesen um die Stadt wohlverdienten,
aber dabei dem Könige, wie es hieß, zu sehr ergebenen Mann vorstellte.

Der Vater wendet sich heftig gegen diesen Unfug und verlangt sogar die Bestrafung der
Urheber. Er ist von der Redlichkeit Dietrichs überzeugt, hält das Königtum für einen wesentlichen
Bestandteil auch der neuen Ordnung und sieht in Person und Eigenschaften
Ludwigs XVI. eine zusätzliche Rechtfertigung für diese Ansicht. Seme Zuhörer jedoch geben
sich zurückhaltend, finden den Vorgang unerheblich und vertreten die Ansicht, das
Verbrennen in efßgie* habe doch dem Mann selbst gar nicht geschadet. Der Vater wird
nach dieser offenen Stellungnahme von einigen Leuten aus seinem Bekanntenkreis gemieden
. Ihm war in seiner Arglosigkeit entgangen, daß bereits jetzt eine Fraktion in Straßburg
tätig war. die sehr viel weitergehende Ziele und härtere Maßnahmen zu ihrer Durchsetzung
befürwortete. Nach der "Zweiten Revolution" vom August 1792 blieb es nicht bei
Verbrennungen von Strohpuppen: Eulogius Schneider, der ehemalige deutsche Priester
und nunmehr Ankläger beim Revolutionstribunal, brachte 33 Menschen auf die Guillotine
, unter ihnen auch den Maire Dietrich, in dessen Haus zum ersten Male die Marseillaise
gesungen worden war.

Der Rhein war in der Zwischenzeit zu einer wirklichen Grenze geworden. Das Elsaß
galt nun nicht mehr als der ausländische, deutsche Besitz Seiner Allerchristlichsten Majestät
, sondern als Bestandteil der einen, unteilbaren französischen Nation. Die regen Beziehungen
nach Vörderösterreich, nach Baden oder in den rechtsrheinischenTeil des Bistums
Straßburg hörten weitgehend auf. vielmehr beobachtete man alle etwaigen Vorbereitungen
des Auslandes gegen das revolutionäre Frankreich mit dem größten Argwohn. Der
württembergische Rittmeister von Miller, der im Frühsommer 1791 von Herzog Karl Eugen
zur Beobachtung an den Oberrhein geschickt worden war, gibt uns einen lebhaften
Eindruck von den militärischen Sicherungsmaßnahmen. Demnach haben Nationalgarden
von Hüningen bis nach Landau einen dichten Sicherungskordon gezogen. Die Schiffahrt
über den Rhein ist nur beiTag erlaubt, wer dies auch in der Nacht wagt, wird von den Franzosen
festgenommen und durchsucht. Patrouillen zu Fuß und zu Pferde beobachten, "ob
am teutschen Ufer nichts unternommen werde, welches der Sicherheit von Frankreich
Nachteil bringen könnte." Diese Aufgeregtheit auf dem französischen Ufer kontrastiere
auffallend mit der Ruhe und Stille gegenüber. Um sich ein möglichst genaues Bild von den
französischen Maßnahmen zu machen, begibt sich Miller nach Neuenburg.
* hier: als Puppe

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