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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
54.1992, Heft 1.1992
Seite: 64
(PDF, 31 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1992-01/0066
Der Modellsaal -ein etwas desolates Gebäude- war vordem das Labor der Essigsäure-
Fabrik des Apothekers Seufert. Diese "Fabrik" wurde anfangs der 70er Jahre Gewerbeschule,
wobei es nicht verwundern mag, daß man auf den ungenutzten Modellsaal kam, da der
Schulleiter, Altkatholik Eduard Haug. Leiter dieser Gewerbeschule war.

Ein reges Kirchen- und Vereinsleben war von diesem Zeitpunkt an gegeben. Sicher hatten
es die Altkatholiken nicht leicht. Sie waren bemüht, Glaubensbrüder für ihre Gemeinde zu
werben, die sich fast ausschließlich aus Katholiken rekrutierten. Daß von dorther Widerstand
kam, lag in der Natur der Sache. Die überlieferte Tatsache, daß der Fabrikant Johann Quenzer
oft Jauche an der Schönauer Straße ausfahren ließ, wenn eine katholische Prozession in Sicht
war, mag die seinerzeit bestandenen Animositäten der beiden Konfessionen beleuchten.

Das großherzogliche Bezirksamt Schönau verfügte jedenfalls am 26. 06. 1878, daß der
Seelsorger der altkatholischen Kirchengemeinschaft, Albert Pyska, berechtigt sei, wie der
Ortspfarrer der römisch-katholischen Kirche, Sitz und Stimme im erweiterten Gemeinderat
hinsichtlich der Schulaufsicht zu führen. Ebenso erhielt der Pfarrer das Recht, altkatholischen
Schulunterricht im städtischen Schulgebäude zu erteilen.

Bereits im Mai 1889 stellte die altkatholische Gemeinde den Antrag auf Erwerb des
Grundstückes, auf welchem die Behelfskirche stand, weil man etwas Schöneres und
Ansehnlicheres bauen wollte. Es wurde angeboten, die neuzuerbauende Kirche nach 25
Jahren in den Besitz der Stadt Zell übergehen zu lassen.

Allein, der Zeller Gemeinderat lehnte ab, wahrscheinlich deshalb, weil der Bau einer
städtischen Kinderschule an dieser Stelle schon im Gespräch war. Man gab jedoch zu
erkennen, daß man gegen einen Kirchenbau an anderer Stelle nichts einzuwenden habe.

Die Altkatholiken begaben sich daraufhin unter ihrem rührigen Vorsitzenden Jacob
Bernauer auf die Suche. Von Camil Montfort konnten sie im Jahre 1890 das heutige
Kirchengrundstück für 20 Goldmark pro Quadratmeter erwerben. Bereits im Frühjahr 1891
wurde mit dem Kirchenbau begonnen, welchen der Grundstücksverkäufer Montfort bei einer
Strafe von 100 Reichsmark einzustellen versuchte, weil die von ihm im Kaufvertrag
verlangte erste Querstraße (heute Schulstraße) noch nicht gebaut war. Die Stadtväter waren
gnädig und ließen es bei 10 Reichsmark Strafe bewenden. Der Kirchenbau kostete damals
45.582 Mark. Am 17. August 1892 konnte die "Christuskirche" durch Bischof Dr. Joseph
Hubert Reinkens und Stadtpfarrer Adelbert Kundt als erste altkatholische Kirche im
Großherzogtum Baden eingeweiht werden.

Das Gotteshaus hatte die Maße 18 x 11,8 m mit einer Kirchenraumhöhe von 7,2 m und
einer Turmhöhe von 32 m. Das Innere wurde zeitgemäß und ansprechend ausgestattet. Eine
wohlklingende Walker-Orgel kommt durch die bekannt gute Akustik der Kirche besonders
zur Geltung. Drei Glocken aus Gußstahl- Paulus, Johannes und Maria geweiht- rufen die
Gläubigen zur Messe. Der Umstand, daß, sicherlich aus Kostengründen, Gußstahlglocken
angeschafft wurden, verschonte das Geläut in den beiden Weltkriegen vor der Abgabe an die
Beschaffungsbehörden. So klingt das altkatholische Geläut als einziges in der Stadt mit
seinem echt ehernen Klang unverändert seit 100 Jahren. Um die Jahrhundertwende gab es
in Zell 120 und in der näheren Umgebung weitere 80 Altkatholiken, die auch außerhalb der
Kirche eine rege Vereinstätigkeit entfalteten. Vereinslokal war über viele Jahrzehnte hinweg
das der altkatholischen Familie Bertsch gehörende "Gasthaus zum Ochsen", in dessen Saal
weltliche Feste. Feiern, Bazare und Theateraufführungen veranstaltet wurden. Das Sigri-
stenamt versah lange Zeit Carl Haug, ein bekanntes Zeller Original. Später wurde dieser
Dienst von den Familien Kunzelmann, Kiefer und Reichert ausgeübt. Das Treten des
Blasebalges für die Walker-Orgel war eine gern wahrgenommene Beschäftigung der Buben
aus der Kirchennachbarschaft (auch der Verfasser war dabei). Dabei kam es hin und wieder
vor, daß mangels nötigem Ernst beim Treten des Blasebalges der Orgel die Luft ausging und

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