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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
58.1996, Heft 1.1996
Seite: 88
(PDF, 30 MB)
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dann auch in einem gesellschaftlichen Wandel: neben das traditionsreiche, alte,

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eingesessene vermögende Bürgertum treten Künstler und Wissenschaftler mit neuen
Fähigkeiten und Aufstiegsambitionen. Jetzt ist der Erzähler bei seinem eigentlichen
Thema angelangt: ..Das lebhafte Gespräch bewegte sich um den anwesenden
Baumeister Niklas und sein letztes Werk, welches auch außerdem die Aufmerksamkeit
der Stadt erregte. Ihm war nämlich, trotz seiner Jugend und trotzdem, daß
er kein Ortsheimischer war, zum Ärger der Neider der Bau des neuen Rathauses
übertragen worden"' (54). Über die ungewöhnliche Bauart und den großen finanziellen
Aufwand wird in der Stadt heftig diskutiert. Auch im Kreis der jungen Leute
ist das Thema der - möglicherweise betrügerischen - Kostenüberschreitung Ausgangspunkt
der Debatte. Der junge Arzt Ugel klagt den Baumeister Niklas an:
..Ein Wolkenschatten verdunkelte sekundenlang den Garten. Niklas schaute nachdenklich
empor. Sein Gesicht war ernst und blaß geworden, unter den klaren
Schläfen arbeitete sichtbar das Geäder. und die feinen Mundwinkel waren starr
und leicht verzogen" (55). Im ersten Teil seiner Rede begründete der junge Architekt
das Überschreiten der ursprünglich vorgesehenen Geldsumme mit politischtaktischen
Überlegungen: ..Es hing im Rat an zwei, drei Stimmen, ob mein Bau
zustande käme. Keiner von Euch zweifelt, daß meine Pläne, hätte ich damals
schon die volle Bausumme verlangt, zurückgewiesen worden wären. Meinem Bau
zuliebe habe ich also einen Betrug gewagt" (55). Im Hauptteil entwickelt Niklas
dann die Grundsätze seines Kunstverständnisses. Rhetorische Stilmittel und zwingende
Argumente kennzeichnen die folgenden Erzählpassagen. Mit dem Appell
„Ihr Freunde!" beschwört Niklas pathetisch die Solidarität seiner Zuhörer: „Hier
ist eine im Kern gesunde, drängende und hoffende Jugend versammelt. Wir spüren
, daß unsre Stadt (...) sich der Welt glänzend und schenkend zeigen will" (56).
Und dann in dreifacher Steigerung: .,Die Stadt ist reich, seit langer Zeit her reich,
und beginnt nun zum Bewußtsein ihres Reichtums zu erwachen" (56). Am Höhepunkt
seiner Rede führt Niklas die Überlegungen des Erzählers zu Beginn der
Geschichte fort: der verkrusteten Einstellung eines sparsam-unbeweglichen Bürgertums
stellt er seine Ideen von Fortschritt und neuer Macht gegenüber. Der
Rathaus-Neubau ist für ihn „das in fröhlichem Trotz gesetzte Denkmal einer hoffnungsfrohen
, lebenstüchtigen Jugend. (...) Wir wollen bauen, schreiben, lehren,
malen, vor allem aber Dasein und Leben nicht zwecklos und von Fall zu Fall,
sondern im Dienst eines keimenden Lebens, das freier, freudevoller und reiner als
das bisherige sein soll" (56/57). Und dennoch ist dieses jugendliche Manifest nicht
revolutionär, sondern will „das überkommene Alte neu erfassen und mit jungem
Leben durchströmen" (57) . Nach der allgemeinen großen Zustimmung seiner
Zuhörer verläßt Niklas die Runde. In seiner Abwesenheit wird heftig weiterdebattiert
. Ein „schmaler, klug aussehender junger Mensch" greift in die Diskussion mit
ein. „Er hieß Veit, war ein stiller Gelehrter und Dichter und wurde, ohne eben viel
zu gelten, von den Freunden oft als Quelle der Auskünfte gelehrter Art benützt.
Daß hinter seinem maskenhaft trockenen Gesicht, seiner Ungeselligkeit und Redescheu
verborgen eine starke, unersättliche Seele Qualen der Einsamkeit und

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