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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
58.1996, Heft 1.1996
Seite: 90
(PDF, 30 MB)
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die Stadtpolitik beeinflußt, sondern hielt auch heute noch durch große Geldgeschäfte
die halbe Stadt in der Hand" (65).

Erst im vierten Abschnitt seiner Erzählung schildert Hesse die Arbeiten am
Rathaus. Nach langen Diskussionen und theoretischen Überlegungen jetzt also die
Taten: Jm Rathaus meißelte, zimmerte und stäubte die zahlreiche Arbeiterschaft
emsig durcheinander. Auf breiten Gerüsten saßen an den Wänden der Hofseite die
Maler" (65). Zwischen dem ..unscheinbaren Menschen" Veit, der als Malergehilfe
bei der Rathauserweiterung und -renovation mitarbeitet, und dem Architekten Ni-
klas entsteht eine Freundschaft „von eigentümlicher Art. Aus der Blüte seines
kraftvoll naiven, sesunden Lebens heraus bemitleidete Niklas den schmächtigen,
schmalbrüstigen Kameraden, dessen geräuschlos fleißiges Bücher- und Gedankendasein
ihm fremd, unbegreiflich und fast verächtlich erschien" (66). Dennoch
schätzt Niklas Veits künstlerische, geschichtliche und philosophische Auffassungen
und Kenntnisse. Hesse variiert hier also erneut das Thema von Geistigkeit und
Lebenspraxis. Einsamkeit und öffentlicher Anerkennung. Die Arbeiten gehen weiter
: „Böden wurden mit Dielen oder Fliesen belegt. Räume wurden von Tischlern.
Glasern und Holzschnitzern ausgemessen. Tüncher und Dachdecker stiegen an
Leitern auf und ab, Lehrbuben mit Besen, Wassertrögen und Werkzeugen hasteten
dazwischen hin und wieder: alles sah nach wohlgeleiteter, fröhlich fördernder
Arbeit aus" (67). Nach einem Gespräch Veits mit Niklas über die Gründung einer
Gesellschaft bzw. Partei, wie sie Gerhard am Beginn der Erzählung vorgeschlagen
hat. verläßt Veit die Stadt und erreicht einen Hügel, „von welchem sich eine weite
Schau über das breite Tal bis zum Gebirge hin öffnete, aus dessen Wurzeln der
Strom als ferner zarter Silberfaden hervorkam. Unten lag die Stadt und fesselte
den Blick des Einsamen" (72). Veit denkt über seine Rolle als Historiker nach:
„An diese Mauern und Türme hatte er seine besten Hoffnungen und den besten
Teil seiner Arbeit geknüpft. Und jahrelang würde sie ihn noch festhalten: denn die
noch nicht geschriebene Geschichte dieser Stadt war Veits geheimgehaltene Lieblingsarbeit
" (72). In ihr möchte er Geschichte als Naturprozeß darstellen: „Es galt
nicht mehr nur die Ereignisse einiger Jahrhunderte zu erzählen, sondern die Wurzeln
und Ursprünge von Fähigkeiten und Lebenskeimen zu zeigen, denen jetzt
eben ein reicher neuer Frühling begann" (72). Inhalt und Sprache dieser Passage
knüpfen bis in die Details hinein an den Anfang der Erzählung an. Im Sinne einer
Ringerzählung hätte Hesse mit der hoffnungsv ollen Vision Veits am Ende dieses
Abschnitts auch die ganze Rathaus-Erzählung abschließen können: „So stand er
nun. am Ende einer innerlich reichen Jugend, auf der ersten Lebenshöhe, dem
Gipfel nah, der steil und verlockend über ihm emporstieg. Dort mußte das Glück
auf ihn warten, dort mußte jene Fülle und selige Genüge ihm aufbewahrt sein,
nach denen er schon so lange die müde werdenden Arme ausstreckte. Und mit
ihm würde eine ganze schöne Jugend, eine ganze Stadt, vielleicht ein Volk auf
geschmückten Stufen einem höheren, sinnvolleren, edleren Leben entgegengehen"
(73).

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