Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
58.1996, Heft 1.1996
Seite: 140
(PDF, 30 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1996-01/0142
Jedes der 65 Kapitel fügt sich wie ein buntes Puzzlesteinchen zum anderen. Von der
Entstehung des Aachtopfs bis zur Ablösung der alten germanischen Naturgötter
durch das Christentum, von Sybille Merian bis Buchhändler Herder in Freiburg, vom
Kurbetrieb in St. Blasien bis zur Stickstoffherstellung bei der BASF in Mannheim
werden dem Leser eine Unzahl wissenswerter Fakten spielerisch und gefällig untergeschoben
, wenn nur ein kleiner Teil an jedem Schulkind hängengeblieben ist, war
es sicherlich reich beschenkt und belehrt, allein schon durch die ungewöhnliche Art
der Lehrstoffvermittlung. Fast jedes Badener Kind fand einen Anknüpfungspunkt für
die eigene Identität. Da die Kapitel in sich abgeschlossen sind, konnte jeder Lehrer
beliebig die für seinen Bezirk oder für das anstehende Thema passenden auswählen
und sie mit den wenigen einführenden Kapiteln und dem Schluß zu einer auf den
individuellen Bedarf zugeschnittenen Einheit abrunden. So mag sich der eingangs
erwähnte ehemalige Mannheimer K5-Schüler damals während der Wintermonate
gründlich unter seinen Klassenkameraden umgesehen haben, ob nicht bei den
Zigeunerkindern aus den „Russenbaracken'" vielleicht Imre und Jenö, die falschen
Geschwister des Schmiedledick. auftauchten. Dem Großstädter aus Karlsruhe aber
wurde der möglicherweise vorhandene Dünkel ausgetrieben: Einen großen Bogen
macht die Zigeunerfamilie um die badische Hauptstadt, betrachtet sie nur aus der
luftigen Ferne vom Durlacher Turmberg herab. Wichtiger und interessanter ist das
Um- und Hinterland, die Flecken, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen sollen,
in „Wirklichkeit" aber der Simi Schmiedledick seine spannendsten Abenteuer erlebt
und den geheimnisvollsten Wesen begegnet.

Daß eine für ihren Beruf entflammte Pädagogin hinter dieser informativen Abenteuerreise
steckt, ist offensichtlich. Die dargestellten Lehrer sind allesamt Zierden
ihres Standes. Sie greifen eher zum Märchenbuch als zum Stöcklein, und wenn die
Kinder in der Sommerhitze fast einschlafen, verlegen sie den Unterricht eben nach
draußen in die schöne, freundliche Natur. Ganz ungeschoren kommen sie allerdings
auch nicht davon. Das Kapitel, in dem die musikalischen Lehrer aus Bühlertal und
Umgebung bekennen, wie sie sich von den Zigeunern haben übertölpeln lassen, gab
den Schulkindern sicher willkommenen Anlaß, auch einmal ihre Lehrer aus vollem
Hals auszulachen. Es entblößt liebevoll einen leisen Hang zum Snobismus in den
Herzen der studierten Herren: Eine echte Zigeunergeige wollten alle haben, aber nur
ein Spottgeld dafür geben. Der schlaue Zigeuner hat reihum die Instrumente gegeneinander
ausgetauscht, und erst bei einer überregionalen Zusammenkunft merken die
Düpierten, wie sie zum Opfer ihrer hochgesteckten Träume, ihrer Verführbarkeit
geworden sind. Es entsteht ein ganz exquisites Gleichgewicht zwischen hauchdünn
auf gepuderter Kritik, sanften Anklängen von Ironie (z.B. wenn Frau Germania
seufzend fragt, „ob etwa wieder ein deutscher Dichter ein schönes Lied auf den
Wasserfall gedichtet habe*', oder in der Geschichte der vom Aussterben bedrohten,
kapriziösen Buchelmaus) und der Achtung vor verdienstvollen Frauen und Männern
der Region (Juliana von Stockhausen, Annette von Droste-Hülshoff, der Sagensammler
Dr. Künzig u.a.), der Bewunderung für bestehende Ordnungen und Strukturen
. Die liebevolle, beharrliche Instruktion erfolgt mit zielstrebigem Nachdruck

140


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1996-01/0142