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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
61.1999, Heft 2.1999
Seite: 27
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1999-02/0029
Die Menschen glaubten an ein Marienwunder. Maria Josefa Kiefer soll an der
Spitze der Gruppierung gestanden sein und verkündet haben: „Ich sehe mit großen
goldenen Buchstaben die Worte, die Kapelle muß wieder aufgebaut werden [gemeint
war vermutlich die 1838 in Unterinzlingen durch einen Erdrutsch zerstörte
St. Anna-Kapelle]. Die Menschen mögen es glauben oder nicht, die Engel wachen
schon auf diesem Platze. Die armen Seelen und die liebe Mutter Jesu erscheinen
deswegen." Am 8. Dezember 1872 nahmen an den religiösen Versammlungen am
Abend zwischen 7.00 und 9.00 Uhr bereits 114 Personen teil.

Die höchst spannende Geschichte kann nicht einfach als religiöse Spinnerei
abgetan werden, da sich ein großer Teil der Bevölkerung von den angeblichen
Marienerscheinungen angezogen fühlte. Offenbar befand sich der katholische
Glaube in den Zeiten des Kulturkampfs dermaßen in der Defensive, daß solche
Ereignisse als bewußte Demonstration des bisherigen Glaubens wahrgenommen
werden können. Erstaunlich ist nämlich nicht nur. daß sich ein Großteil der Inzlin-
ger Bevölkerung hinter die angeblichen Marienerscheinungen stellte, sondern
auch, mit welcher Härte die großherzoglich-badische Administration die Betübungen
unterband. Nur weil die badische Verwaltung mit polizeilichen und rechtlichen
Schritten einschritt, ist uns im übrigen dieser Fall so detailliert erhalten
geblieben. Allerdings ist bei der Sichtung der Akten stets Vorsicht am Platz, da
die Wiedergabe der Ereignisse immer aus der Sicht der Behörden verfaßt wurde
und es letztlich keine überprüfbaren Aussagen der Betroffenen gibt, inwieweit
man tatsächlich an Marienerscheinungen geglaubt hat. Die Behördenprotokolle
jedenfalls reden vom großen Schwindel und legen dar. daß Maria Josefa Kiefer -
die offenbar eine Art inoffizielle Anführerin gewesen war - Zuckerbrote auf den
Boden auslegte und dann „die schwindelhafte Behauptung aufgestellt [habe], die
Mutter Gottes habe diese Zuckerbrötchen auf den Boden gestreut".

Der damalige Inzlinger Bürgermeister Arkadius Däschler geriet ob dieser Angelegenheit
in arge Schwierigkeiten. Die großherzoglich-badische Verwaltung setzte
ihn unter Druck, die Betstunden zu verbieten. Da aber seine Ehefrau ebenfalls an
den Versammlungen teilnahm, ist er möglicherweise nur halbherzig dem Aufruf
der Obrigkeit nachgekommen. Im Dezember 1872 verbot dann der Bürgermeister
doch die Gebete in der Kirche, ließ sie aber in Privathäusern zu. Sebastian Gruni
richtete darauf sein Haus zu diesem Zwecke ein. Dort habe Maria Josefa Kiefer als
Vorbeterin ausgesagt: „Ich sehe die Mutter Gottes, um welche sich eine Schlange
gewunden und die Gestalt in Wolken gehüllt sei." Dann habe sie nach rechts
geschaut und erklärt, daß sie das Fegefeuer und den Teufel in der Gestalt eines
Hundes sehe.

Auch der Inzlinger Ortspfarrer sprach sich nun gegen die Abhaltung der religiösen
Versammlungen aus. konnte sich aber offenbar nicht durchsetzen. Am
31. Januar 1873 beschwerte sich Polizeidiener Portmann, er habe in Inzlingen oft
einen schweren Stand, da er der Sache negativ gegenüberstehe. Der Druck der
Behörden wurde nun so groß, daß Bürgermeister Däschler nachgab und am
4. März 1873 verkünden ließ, jeder der Versammelten werde beim Schöffenge-

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