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rieht angeklagt. Als sich am 5. März 1873 nach dem Gottesdienst die Gläubigen
weigerten, die Kirche zu verlassen, wurden die Türen verschlossen, so daß die
Beter eingesperrt waren. Als die Polizei einschreiten wollte, erklärten die Anwesenden
allerdings, sie hätten das Recht, in der Fastenzeit den Rosenkranz zu beten.
Damit war die Angelegenheit offenbar erledigt, und ein Wallfahrtsort ist in Inzlin-
gen nicht entstanden.1?l Mit einem gewissen Erstaunen nimmt man zur Kenntnis,
daß dieser Fall aktenmäßig anschließend vollständig geschlossen wurde, und man
kann zu Recht den Verdacht hegen, ob hier nicht nur einige Katholiken mit den
angeblichen Marienerscheinungen einem Wunschdenken verfallen sind, sondern
ob nicht vielmehr einige übereifrige Behördenvertreter die Angelegenheit dem
Zeitgeist entsprechend hochgespielt haben.
11. Schlußwort
Konfessionen und speziell Konfessionsgrenzen spielen in unserer Zeit nicht
mehr die entscheidende Rolle. Das persönliche Bekenntnis (confessio) kann heute
wahrgenommen werden, ohne daß ein Landesherr befiehlt, zu welcher Glaubensrichtung
seine Untertanen gehören müssen. Interessant ist aber immerhin, daß der
Entscheid der Reichensteiner zu Beginn des 16. Jahrhunderts, Inzlingen im katholischen
Glauben zu belassen, noch bis heute dazu führt, daß eine Mehrheit nach
wie vor dem katholischen Glauben angehört. Die Konfessionsstatistik der Jahre
1970. 1980 und 1997 beweist hingegen die Tendenz einer immer stärkeren An-
gleichung der beiden Konfessionen. Mehr und mehr zeigt sich im übrigen, daß der
konfessionelle Gegensatz nicht mehr das zentrale Thema ist, sondern vielmehr die
Frage, ob überhaupt eine Konfessionszugehörigkeit in Frage kommt.
Konfessionsstatistik in Inzlingen
31. 12. 1970
31. 12. 1980
31. 12. 1997
31. 5. 1999
Katholiken
1351
1465
1299
1314
Protestanten
(Ev. Christen)
548
765
835
870
Sonstige
44
240
510
435,4)
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