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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
61.1999, Heft 2.1999
Seite: 75
(PDF, 36 MB)
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chen. sondern auch den wunderlichen" (1. Petrus 2.18). Die Sklaven wurden häu-
fis mit den Untertanen gleichgesetzt. Diese beiden sogenannten ..biblischen Wahr-

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heiten" untersagten jegliches Widerstandsrecht gegen die Obrigkeit und wehrten
Versuchen einer Demokratisierung der Gesellschaft, da dadurch der Herrscher
„von Gottes Gnaden" in seiner von Gott verliehenen Souveränität beeinträchtigt
wurde. Weite Teile des Christentums hatten diese Haltung geradezu internalisiert.
So polemisierte der bekannte badische Erweckungsprediger und Pfarrer Alois
Henhöfer (1789-1862)2:' aus Spöck, nach dem der bis heute gefeierte Henhöfer-
Tag benannt ist. mit derben Worten gegen die Revolution und ihre Befürworter. Er
bildet keine Ausnahme, sondern repräsentiert eine breite Anzahl von pietistisch
und politisch monarchistisch geprägten Pfarrern, die Demokratie und republikanisches
Denken als Ausgeburten des Teufels oder als Vorboten des apokalyptischen
Endes interpretierten. Die tiefste Ursache für die sozialen Unruhen sah Henhöfer
nicht in den prekären ökonomischen Gegebenheiten und der damit einhergehenden
Verelendung, sondern monokausal im Abfall des Volkes von Gott und Christus
, im Fehlen eines lebendigen Christentums. Nun kämpfe man gegen den Antichristen
, gegen die Revolutionäre, erklärte der konvertierte Katholik Henhöfer. Es
stehe, so Henhöfer. das Reich und die Herrschaft der Gottlosen bev or, geführt und
regiert v om Fürsten der Finsternis. Die Badische Rev olution war für ihn in diesem
apokalyptischen Szenario nur ein „kleines Vorspiel", das Nachspiel werde folgen
und die Zeichen des satanischen Reiches tragen. Denn „eine Revolution ist immer
eine Hauptfrucht des Unglaubens, und jener Teufel, der diese zustande bringt, hat
damit sein Meisterstück gemacht und gilt als Meister in der Hölle. Der Unglaube
also, oder der Abfall von Christo, ist die tiefste und letzte Ursache unserer Rev olu-
tion in Deutschland und in Baden.231 Der verbreitete Unglaube habe die Finsternis
in die Welt gebracht unter dem Namen der Aufklärung. Urheber und Quellen der
Revolution sind für Henhöfer vor allem die gelehrten Schulen, aus denen eine
größtenteils „unerträgliche" Jugend hervorgegangen sei. „Wären Fürst und Volk
im Glauben gestanden und bei Christo geblieben, bei dem wahren Christus, nicht
bei dem selbstproducierten. so wäre dies Alles nicht geschehen. Gläubige Leute
sind nicht revolutionär." Doch die „Genußsucht" und „Fleischeslust" habe alle
Stände durchdrungen. Alle wollten bloß Genuß und sinnliche Freuden: „Theater.
Bälle. Tänze. Lustfahrten mit der Eisenbahn waren die Vergnügungen v on Hohen
und Niedern." Schließlich sei noch die „schlimme Literatur" schuld an der „Entsittlichung
und Verweichlichung". Henhöfer bietet ein breites Spektrum der seinerzeit
in erweckten Kreisen üblichen Vorwürfe und Schuldzuweisungen auf und
spricht den revolutionären Bestrebungen als Aufbegehren gegen Gottes Ordnung
jegliches Recht ab.

Dieses Beispiel zeigt deutlich, welches Denken Neff kritisiert, wenn er die
Pfaffen seiner Zeit angreift. Der württembergische antirevolutionäre Pfarrer Kapff
(1805-1879) brachte neben vehementer Abwehr sogar ein wenig Verständnis für
die republikanische Pastoren-Schelte auf: Die Revolution habe gegen die Pfarrer
einen „greulichen Haß" sprühen lassen und die Pfaffen als „faule selbstsüchtige

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