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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
64.2002, Heft 2.2002
Seite: 53
(PDF, 32 MB)
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rei Wasser holen, und wenn bei uns im Garten tätige Männer der Durst plagte,
schickte Mutter mich mit einem großen Krug in die Wirtschaft der Weserei, um
offenes Bier zu holen (wenn ich mich richtig erinnere, kostete der Liter eine
Mark), und dann sah ich - und daran erinnere ich mich heute noch, als ob es
gegenwärtig wäre - am Büffet hinter der Theke ein Foto des ..Buben", natürlich
längst eines jungen Mannes, auf den die Tante Emilie so sehnsüchtig wartete.
Allen Widrigkeiten und Schwierigkeiten zum Trotz wollte sie die Wirtschaft so
lange weiter betreiben, bis er wiederkäme.

Und - es war für uns wie ein Wunder - er kam! Nach zwölf langen und harten
Jahren in russischer Gefangenschaft kam er am 11. Oktober 1955 als letzter Heimkehrer
wieder nach Kandern. Festliches Glockengeläut, der Schülerchor und viele
Kanderner empfingen ihn. Am darauffolgenden Sonntag, dem 16. Oktober, dankte
Kandern in einem besonderen Gottesdienst mit Pfarrer Walter Bauer für die gesunde
Heimkehr des so lange vermissten und dann doch relativ gesund zurückgekommenen
Mitbürgers. Hans Blickensdörfer hält die Erinnerung an ihn in seinem
Roman „Doppelpaß an der Wolga" wach, und für uns Kanderner sollte der 11.
Oktober 1955 ein unvergessener Tag bleiben. Mir erzählte Herr Kramer einmal,
dass er trotz vieler Entbehrungen und großem Leid diese Zeit in seiner Lebensgeschichte
nicht missen möchte.

Für den 35-jährigen Mann gilt es, so schnell wie möglich den Anschluss zu
finden, weil er natürlich die ..Weserei" übernehmen will. Er geht als Koch in die
„Post*4 in Badenweiler, lernt dort seine spätere Frau Anna kennen, die im
Schwarzwald-Hotel im Service tätig ist. Sie kommt 1957 als junge und tüchtige
Frau ins Haus. Schon 1958 wird renoviert, und die Innenräume werden neu gestaltet
, statt 30 haben nun 120 Gäste Platz. Aus der einfachen Wirtschaft wird ein sehr
gutes Restaurant, Mitglied der „Chaine des Rötisseurs" und Träger eines Michelin
-Sterns, doch die Wirtsleute Kramer-Eichin behalten stets den guten und
freundschaftlichen Kontakt auch zu den Einheimischen.

1966 stirbt fast 82-jährig die alte Weserei-Wirtin, die sich freute, als es mit
dem Geschäft aufwärts ging, dass sie sich noch bis ins hohe Alter nützlich
machen konnte und zwei Enkelkinder, einen Buben und ein Mädchen, betreuen
durfte.

Nach seiner Kochlehre und der Ausbildung zum Betriebswirt im Hotel- und
Gaststättengewerbe kommt Sohn Ullrich wieder nach Hause, tritt in des Vaters
Fußstapfen und geht als Bauherr und Eigentümer an die Realisierung des schon
lange geplanten Hotelneubaus, der am 12. April 1987 mit einem Tag der offenen
Tür vorgestellt wird.

Im Januar 1991 übernehmen Ullrich Kramer und seine tüchtige Frau Renate, die
ebenfalls vom Fach ist. das renommierte Haus und gönnen Vater und Mutter den
wohlverdienten Ruhestand. 1995 kann der Vater noch recht rüstig seinen 75.
Geburtstag feiern, doch am 4.11.1996 verstirbt er. Die Mutter ist noch als guter
Geist im Haus tätig und nicht zuletzt ihren beiden Enkelkindern, der nunmehr
fünften Kramer-Generation, eine gute und geliebte Großmutter.

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