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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
65.2003, Heft 1.2003
Seite: 30
(PDF, 32 MB)
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Bürgerrecht schenkte, was ihn „äusserst über die Gnade meines Heylandes beschämt
, der die Herzen der Menschen leitet wie Wasserbäche" (1807). Der Pietismus
verstand sich als Frömmigkeitsbewegung, implizierte aber - gerade durch die
Relativierung gesellschaftlicher Unterschiede - auch Soziologisches und damit
Politisches. Die damalige Riehener Gemeinschaft emanzipierte sich einerseits
vom sturen staatskirchlichen Apparat, andererseits und paradoxerweise bildeten
aber gerade einige ihrer Angehörigen die städtische Hierarchie im Dorfe nach.

Daneben flössen noch andere Geistesströme. Sozusagen als geheimnistuerisches
Echo auf den aufgeklärten Ruf zu Vernunft und Tugend trieb im Glögglihof
(Bettingerstrasse 2) der Abenteurer. Krankenheiler und Freimaurer Giuseppe Bal-
samo alias Alexander Graf Cagliostro (1743-1795) unter beachtlichem Zulauf
sein Wesen, den einen ein Heiliger, den andern ein Scharlatan. Nach ihm nannte
man den angeblich 1783 gebauten Pavillon an der heutigen Äusseren Baselstrasse l.
Aber auch der Ruf nach Freiheit. Gleichheit und Brüderlichkeit drang nach Riehen
, von den bisher Privilegierten eher ungern gehört, von denjenigen neuer -
trotz Reichtums an der Macht noch nicht beteiligter - Eliten etwa aus den Familien
Stump und Löliger aber begeistert aufgenommen. Es kam zu merkwürdigen
Verbindungen von Frömmigkeit und Aufklärung, so beispielsweise in den originellen
Persönlichkeiten des von dem zeitgenössischen Riehener Chronisten und
Weibel Hans Jakob Schultheiss (1730-1810) als „ex[z]el[l]ent" geschilderten letzten
Obervogts Johann Lucas LeGrand (1755-1836; ein entfernter Verwandter des
genannten Emanuel), nachmals Direktor der Helvetischen Republik und bedeutender
Philanthrop, und des „Prophet der Revolution" genannten Pfarrers Johann
Rudolph Huber (1766-1806), einem eifrigen Mitglied der erwecklichen Christentumsgesellschaft
und Gründer der Basler Bibelgesellschaft (1804). Huber führte
1796 genaue soziologische Untersuchungen der Bevölkerung durch, ermittelte
Angaben über Alphabetisierung. Schulbesuch. Wohnverhältnisse und Bibelbesitz.
Schon 1771 galten je 38 Prozent der Bev ölkerung als arm oder mittelständisch und
die verbleibenden 24 Prozent als reich. Aus dem Jahr 1774 sind die Bestände der
wichtigsten Nutztiere überliefert: 40 Pferde, 252 Stück Rindvieh, 270 Schweine,
420 Schafe und Ziegen. Übrigens erlegte man einen letzten Hirsch 1769. Trotz
dieser Hinweise auf Fortschritt und Entwicklung kam es auch zu gegenläufigen
Erscheinungen: Die Basler Regierung wurde ihren Untertanen auf der Landschaft
gegenüber kleinlich, verbot unter anderem 1764 das Halten von Hunden, 1769 das
Kaffeetrinken und 1787 das Weißbrot, was eine vorrevolutionäre Stimmung anheizte
.

Zwischen der Französischen (1789) und der sogenannten Basler Revolution
(1797/98) überstürzten sich die Ereignisse. Theobald Singeisen (1764-1804),
Spross einer begüterten Riehener Bauernfamilie und mit Johann Peter Hebel bekannt
, studierte Medizin. Als Leibeigener der Stadt Basel durfte er das nicht an
der Alma Mater seiner Kantonsmetropole tun und musste darum nach Straßburg
ziehen. Promoviert kehrte er zurück, und da ein Doktor nicht gut Untertan sein
konnte, entließ man ihn aus dem Abhängigkeitsverhältnis. Anno 1791 erfolgte

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