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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
67.2005, Heft 1.2005
Seite: 84
(PDF, 26 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2005-01/0086
Scherers Skulpturen wirken in ihrer oft wuchtigen und markanten Form kraftvoll
und ausdrucksstark. Sie ruhen dank ihrer ausgewogenen Komposition in sich
selbst. Die energischen und doch vorsichtigen Arbeiten faszinieren vor allem durch
ihre gefühlsbetonte Ausstrahlung.

Die Skulpturen spiegeln besonders jenen Teil von Scherers Wesens wider, der
von Selbstzweifeln und Einsamkeit, vor allem aber von der Ambivalenz von
Lebensgier und Lebensangst erfüllt war.

Auch ..Das kleine Mädchen'* wirkt ausdrucksstark und gefühlsbetont verletzlich
zugleich. Ein kleines, unbekleidetes, aufrecht stehendes Mädchen wird von
einer eng neben ihm hockenden weiblichen Aktfigur umarmt. Der nackte Körper
wurde von Scherer seit den frühen 20er Jahren als Symbol für die existenzielle
Schutzlosigkeit des Menschen dargestellt. Bedrängnis und Angst finden auch im
kleinen Mädchen ihren Ausdruck. „Das kleine Mädchen" zieht den Betrachter unmittelbar
in seinen Bann. Dem direkten Blick kann man sich nicht entziehen. Die
großen fragenden, aber auch ängstlichen Augen zwingen den Betrachter, sich mit
der Thematik bzw. der Problematik der Skulptur auseinander zu setzen. Zwischen
dem Mädchen und dem Betrachter entsteht eine Gefühlsbeziehung, denn das Mädchen
steht für ein existenzielles Problem. Der Gedanke an die Zukunft erfüllt es
mit Angst: Angst vor dem Heranwachsen. Das Heranwachsen bedeutet für Scherer
den Verlust der unbekümmerten Kindheit, den Verlust der Unmittelbarkeit, die das
Kind mit seinem Lebensganzen verbindet. Er sieht das Mädchen dieser Veränderung
ausgeliefert.

Das Mädchen hat zu allen Seiten hin Kontakt zum Körper der hockenden Figur.
Da die Skulptur aus einem Stamm geschlagen ist (..taille directe"), sind die beiden
Figuren schon auf formaler Ebene eng zusammengeschlossen. Die Köpfe berühren
sich, die Körper sind aneinandergeschmiegt. Die hockende Figur legt ihre Hand
schützend auf den Kopf des kleinen Mädchens. Mit dem linken Arm umgreift sie
sanft den Körper und ergreift die rechte Hand des Mädchens. Das kleine Mädchen
stützt sich mit seiner linken Hand auf dem linken Arm der älteren Fisur ab. Diese
ist in ihrer Körperhaltung bemüht, dem Mädchen das Gefühl von Schutz und Sicherheit
zu vermitteln.

Bei der älteren Figur könnte es sich um die Mutter des Mädchens handeln, denn
das Mutter-Kind-Motiv spielte in Scherers Werk eine große Rolle. Möglich wäre
aber auch, dass ein kleines Mädchen mit seiner älteren Schwester dargestellt ist.
Die Schwester kann dem verängstigten Mädchen zur Seite stehen, den Verän-
derungsprozess vom Erwachsenwerden jedoch nicht aufhalten. Eine eindeutige
Antwort darauf, um wem es sich bei der älteren Figur handelt, gibt Scheres Skulptur
allerdings nicht, wenngleich die Botschaft klar ist. ..Das kleine Mädchen"
vermittelt in seiner Gefühlsbetontheit das Vorhandensein von existenziellen
Ängsten sowie die Sehnsucht nach Schutz und Geborgenheit.

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